Mag. Stefan Lami - Steuerberatung - Unternehmensberatung

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Trotz - oder wegen - der Digitalisierung

Wir erhalten alles im Leben von anderen Menschen

19.10.2017

Im derzeit stattfindenden enormen Wandel zur Digitalisierung sollte niemals übersehen werden, dass wir letztendlich alles im Leben von anderen Menschen erhalten. Die ersten Seiten meines Buches "Spitzenleistungen in der Steuerberatung" gewinnen damit eine neue Bedeutung.

 

... An den Anfang meines Buches möchte ich eine provokante These stellen: Der Mensch ist die Quelle des Lebens, und zwar nicht nur im übertragenen, sondern auch im tatsächlichen Sinn. Alles – wirklich alles – erhalten wir von anderen Menschen. Alles?

Ich bin mir bewusst, dass das Wort „alles“, Gift für eine fruchtbare Kommunikation ist und  den Gedankenaustausch zwischen Autor und Leser blockieren kann; genauso wie etwa die Wörter „nichts“, „immer“ und „nie“. Solche kommunikativen Unwörter sind daher zu Beginn eines Buches eigentlich fehl am Platz. Sie fordern nämlich zu Widerspruch heraus und es besteht das Risiko, dass der Angesprochene intensiver über mögliche Ausnahmen von der These nachdenkt als über die These selbst. Man mag das bedauern, aber kommunikative Prozesse folgen nun einmal dieser Gesetzmäßigkeit.

Dennoch möchte ich dieses Risiko eingehen. Denn es ist – zugegeben – ein kalkuliertes Risiko, das darauf zielt, den Leser bewusst zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Ausgangsthese dieses Kapitels anzuregen:

Wir erhalten alles im Leben von anderen Menschen.

Alles? Ja, alles! Sogar das Leben selbst haben wir von anderen Menschen erhalten: Vater und Mutter. Wir haben es nicht gewollt, wir haben es jedoch erhalten. Und dieses Prinzip, etwas von anderen Menschen zu erhalten, was wir nicht bewusst gewollt haben, begleitet uns auf dem gesamten Lebensweg.

Für den flüchtigen Betrachter ist die These, dass wir ohne die anderen Menschen nichts wären, schlicht inakzeptabel. Sie fordert spontanen – meist sogar vehementen – Widerspruch heraus. Doch selbst bei intensiverem Nachdenken will es den Skeptikern dann meist nicht so recht gelingen, die These argumentativ zu entkräften. In Gesprächen über das Thema höre ich dann als Entgegnung Grundsätzliches wie „meinen Verstand“, „mein Selbstbewusstsein“, „mein eigenes Ich“, „mein Verantwortungsbewusstsein“, aber auch scheinbar Triviales, wie „die Zuneigung und Treue meines Hundes“. Dabei wird betont, man sei seines eigenen Glückes Schmied. Man gestalte sein Leben selbst, und nicht alles komme von „den anderen“, fliege einem quasi ungewollt zu. Dieser Überlegung stimme ich uneingeschränkt zu: Das eigene Handeln bestimmt entscheidend darüber, was wir im Leben erhalten. Dabei wird aber häufig übersehen, dass das, was wir als Resultat unseres Handelns erhalten, von anderen Menschen stammt, also eine Reaktion auf unser Handeln, als Individuum in einer sozialen Gemeinschaft ist. Ein Beispiel soll verdeutlichen, was ich meine:

John D. Rockefeller, der Mann mit der Bilderbuch-Karriere vom Tellerwäscher zum Multimillionär, war zu seiner Zeit der reichste Mann der Welt. Er hat sich emporgearbeitet. Er galt als skrupelloser Geschäftsmann, der jede sich bietende Gelegenheit nutzte, um sein Öl-Imperium aufzubauen. Er galt als rücksichtslos gegenüber seinen Konkurrenten und seiner Belegschaft, sowie ausschließlich auf seine Vorteile bedacht. In seiner Biografie wird über eine bisher unbekannte Seite dieses außergewöhnlichen Mannes berichtet: Nur wenige Außenstehende wussten, dass es zu den größten Talenten Rockefellers zählte, seine Mitarbeiter zu führen und zu motivieren. Rockefeller selbst sah dies so: „Meinen Erfolg im Leben verdanke ich vor allem meinem Vertrauen in Menschen, und meiner Fähigkeit, in anderen Vertrauen zu mir zu erwecken.“

Keinesfalls möchte ich behaupten, die These „Wir erhalten alles im Leben von anderen Menschen“ sei die – alleinige – Wahrheit, denn dann wäre ich ein Lügner. Erzeugen möchte ich mit dieser Ausgangsthese jedoch  ein intensives kritisches Nachdenken darüber, was es für Inhaber bzw. Partner und das Management einer Steuerberatungspraxis bedeutet, wenn die Aussage auch nur 95 % zuträfe. Welche Konsequenzen hätte dieses Gedankenspiel für das Selbstverständnis der Kanzlei, die Kanzleistrategie und die ihr unterlegten Werte?

Im Grunde betreten Sie kein Neuland, wenn Sie sich auf dieses Gedankenspiel vom Geben und Nehmen nach der 95 %-Formel einlassen, die sowohl für materielle Güter wie Geld, als auch immaterielle Werte wie Anerkennung, Wertschätzung und Liebe gilt. Denn die Zusammenhänge sind Ihnen aus Ihrem Berufsalltag vertraut: Der Inhaber einer Steuerberaterpraxis erhält von seinen Mitarbeitern die Arbeitsleistung, das Engagement, die Bereitschaft zu Veränderungen und vieles mehr; der Mitarbeiter im Gegenzug Geld, Anerkennung, Image usw. Nicht weniger offensichtlich sind die Zusammenhänge zwischen dem Mandanten und der Kanzlei. Jede bezahlte Honorarnote belegt u. a. den gelungenen Austausch von Wissen, Arbeitserleichterung, Schutz vor dem Finanzamt gegen Geld, Wertschätzung oder etwa Weiterempfehlungen.

Was den Blick dafür verstellt, dass hinter jedem in Ziffern dokumentierten Leistungsaustausch ein Mensch steht, ist die Tatsache, dass das Berufsleben des Steuerberaters fast ausschließlich um Zahlen kreist: Der aktuelle Jahresabschluss, die monatliche betriebswirtschaftliche Analyse, betriebliche Kennzahlen – in Beratungsgesprächen stehen Zahlen im Mittelpunkt. In Vergleichen, Prozent- und Steigerungssätzen bzw. Verhältniswerten werden hier Zahlen analysiert – unpersönlich, abstrakt, detailverliebt, teilweise auch realitätsfern. Dabei wird allzu leicht vergessen, dass jede Zahl das Ergebnis einer menschlichen Aktivität ist: Ein Kunde, der für das Produkt oder die Leistung bezahlt, ein Mitarbeiter, der das Produkt erstellt oder für den Kunden eine Dienstleistung erbringt, ein Lieferant, der das Unternehmen mit Waren versorgt. Machen wir uns also klar: Jahresabschlüsse bilden Handlungen von Menschen ab. „Sich auf die Zahlen zu konzentrieren“, wie es in der Steuerberatungsbranche gefordert wird, ist also eine dramatische Verkürzung der Wirklichkeit und offenbart ein Wahrnehmungsdefizit.

Gewiss, es ist nicht leicht, die Herausforderung anzunehmen, die sich aus der Erkenntnis ergibt, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Die sich hieraus ergebenden Probleme sind komplexer und deshalb schwieriger zu lösen als fachliche Fragen zu beantworten, Entscheidungen über EDV-Systeme zu treffen, Marketingbudgets festzulegen oder etwa die Prozesse zur Qualitätssicherung zu definieren. Letztlich muss man sich dieser Herausforderung aber stellen, denn letztendlich erhalten wir „alles“ im Leben von anderen Menschen.

Konsequenzen aus der These „Quelle Mensch“

Selbst, wenn Sie nicht überzeugt sein sollten, so bitte ich Sie doch, sich auf die These von der „Quelle Mensch“ als Erfolgsfaktor für erfolgreiches Wirtschaften weiter einzulassen. Es geht im Folgenden nämlich um die erstaunlichen Konsequenzen für Ihr berufliches Handeln:

  1. Wenn ich im Leben „mehr“ (von was auch immer) erhalten möchte, muss ich anderen Menschen mehr von dem geben, was sie wollen, damit sie mir – freiwillig – mehr von dem geben, was ich will.

Genauso wie wir im Leben alles von anderen Menschen erhalten, sind wir selbst, „Quelle Mensch“ für andere Menschen – mit ihnen verbunden wie in einem Modell kommunizierender Gefäße. Aus privaten Partnerschaften ist uns dieses Bild vertraut: Das, was man erhält, ist ziemlich genau das Resultat dessen, was man selbstlos in die Beziehung hineingibt. Warum sollte das im Berufsleben anders sein?

  1. Daher sollte ich erstens wissen, was ich will, zweitens wissen, was andere Menschen wollen und drittens beides kommunizieren.

Viele scheitern schon am „wissen, was ich will“. Wie aber, so muss man dann fragen, können mir andere Menschen bei der Erreichung meiner Ziele helfen, wenn ich selbst nicht einmal weiß, welches Ziel ich verfolge? Die Antwort lautet schlicht: gar nicht! Ohne Ziel ist jeder Weg der richtige und man kommt nie an. „Wenn man nichts mehr erreichen möchte, ist man so gut wie tot.“ In der Unternehmenssphäre wird diese Mahnung als Aufforderung verstanden, sich ständig weiterzuentwickeln, im Privatleben verhallt dieser Appell oft ungehört.

Zu wissen, was andere Menschen erreichen möchten, ist ein Schlüssel zum Erfolg. Unternehmen, die die Wünsche und Erwartungen Ihrer Kunden und Mitarbeiter erfüllen, sind zwangsläufig erfolgreich. Es scheitern jene, die die Erwartungen der anderen nicht kennen und sie daher auch nicht erfüllen können; das gilt auch für den privaten Bereich. Je mehr man von „den anderen“ weiß und ihnen hilft, ihre Ziele zu erreichen, desto wahrscheinlicher wird der eigene Erfolg. Ein Leitsatz im Kundenmarketing lautet: Es ist schwierig genug, bekannte Erwartungen zu erfüllen. Es ist nahezu unmöglich, unbekannte Erwartungen zu übertreffen. Wenn Sie also Ihre Mandanten begeistern wollen, müssen Sie deren Erwartungshaltung kennen.

Ohne Kommunikation ist „alles nichts“. Kommunikation ist das Verbindungsglied zwischen Menschen. Erst dann, wenn der Dialog mit den anderen eröffnet ist, kann aus dem Zusammenspiel des Wissens, über meine Ziele mit den Erwartungen anderer Menschen wirtschaftlicher Erfolg wachsen. Ohne Kommunikation… passiert nichts.

Die hier genannten Konsequenzen der Ausgangsthese „Quelle Mensch“ erscheinen banal und trivial – thematisieren Offensichtliches. Verblüffend ist aber, dass sie die Basis jeder erfolgreichen Unternehmensentwicklung sind: Sie

  • zeigen, dass Kanzleiziele unabweisbar wichtig sind.
  • begründen die Notwendigkeit, kontinuierlich die Erwartungen von Mitarbeitern und Mandanten zu erforschen und das eigene Handeln daran auszurichten.
  • demonstrieren die unumschränkte Macht der Kommunikation für den Erfolg.
  1. Energie gewinnt man vor allem aus der Begegnung mit den „richtigen“ Menschen. Energie verliert man vor allem durch die Begegnung mit den „falschen“ Menschen.

Menschliche Energie ist nicht messbar. Sie ist jedoch spürbar. Mitarbeiter von Steuerberatungskanzleien erzählen mir hierzu immer wieder, dass sie, wenn der Inhaber die Kanzlei betritt, schon am Klang der sich öffnenden Tür erkennen können, wie der Tag verlaufen wird. Jede Besprechung, die Sie energiegeladen führen, wird signifikant bessere Ergebnisse bringen. Die Wirkung einer Energie versprühenden körperlichen und geistigen Verfassung ist nahezu unbegrenzt. Ein wirklich Entschiedener, der sein Ziel kennt, ist die Mehrheit. Er wird den Rest überzeugen. Fehlende Energie hingegen ist der Grund dafür, warum Veränderungsprojekte in der Umsetzungsphase häufig stecken bleiben – sie werden nur halbherzig, kraftlos und mutlos vorangetrieben. Wenn dann das Projekt auch noch unprofessionell gemanagt wird, muss es scheitern.

Analysieren Sie deshalb, an welchen Tagen Sie abends ausgelaugt und erschöpft sind. Sie werden feststellen, dass eine – vielleicht sogar die wichtigste – Ursache der Erschöpfung die Gespräche waren, die Sie während des Tages geführt haben: unangenehme Auseinandersetzungen mit nörgelnden Mandanten, frustrierende Personalgespräche mit unzufriedenen Mitarbeitern oder eine Besprechung im Führungskreis, die an ein Treffen profilneurotisch veranlagter Führungskräfte erinnerte. Ganz anders fühlen Sie sich hingegen nach einem Tag, an dem Sie mit positiv eingestellten Menschen gesprochen haben. Natürlich haben auch diese Begegnungen Kraft gekostet, gleichzeitig haben sie Ihnen aber auch zusätzliche Energie vermittelt. Sie fühlen sich gut. Sie sind beflügelt. Sie möchten weiter machen. Sie sehnen sich nach weiteren Begegnungen dieser positiven Art.

„Undenkbar, unrealistisch und überzogen!“ Sind das Ihre Gedanken bei dieser Vorstellung? Oder denken Sie, „wow, das würde ich mir wünschen. Wie geht das?“ Wie dem auch sei, es ist wichtig, die Zusammenhänge zu erkennen: Energiespendende Erfahrungen lassen sich bewusst herbeiführen, und zwar als zwingende Folge des eigenen Verhaltens. Stecken Sie daher Ihre ganze Energie in diese Gespräche. Alles, was Sie leisten können. Wirklich alles. Menschliche Begegnungen sind – jedenfalls auf lange Sicht – wie kommunizierende Gefäße, die man selbst füllen muss. Darauf zu warten, dass „der andere“ beginnt, ist zu wenig.

Es liegt in der Natur der Sache, dass es Menschen gibt, die trotz Ihres energievollen Engagements nur sehr wenig zurückgeben. Von diesen Menschen sollten Sie sich trennen. Es ist auf Dauer für beide der bessere Weg. Den einen oder anderen der so genannten C-Mandanten zu kündigen, sorgt für einen Energieschub in der Kanzlei. Sich von einem Mitarbeiter zu trennen, mit dem kein gemeinsamer Weg auszumachen ist, sorgt für Motivation im Team. Aber Achtung: Machen Sie sich die Sache nicht zu einfach. Überprüfen Sie stets äußerst kritisch, ob Sie wirklich alles gegeben haben, bevor Sie sich trennen.

  1. Kümmere dich um andere und es geht dir besser.

Anderen Menschen zu helfen, ist ein wirksames Anti-Depressivum. Forschungen zeigen, dass man dadurch sogar depressionsresistent wird. Nicht die klinische Perspektive ist interessant, sondern die Tatsache, dass das eigene Wohlbefinden, der eigene Erfolg darauf fußt, andere in die Erfolgsspur zu führen. In der Beratungssituation ist dies offensichtlich. Im Zusammenhang mit der Mitarbeiterführung wird dies allerdings oft übersehen. Helfen heißt hier fördern und nicht nur fordern. Das ist eine erfüllende Führungsaufgabe. Ich spreche hier von gezieltem Vorgehen in einem klar definierten Rahmen. Ich meine nicht die vorbehaltlose Selbstaufgabe zugunsten anderer. Das würde der Ausgangsthese widersprechen.

  1. Die Frage der Work-Life-Balance stellt sich nicht, wenn man den ganzen Tag von Menschen umgeben ist, die man schätzt und die einen selbst schätzen.

Die Vorstellung einer dauerhaften Work-Life-Balance ist absurd. Der Begriff unterstellt, dass das eine – „Work“ – negativ wäre, während das andere – „Life“ – positiv ist und sich die beiden Teile im Gleichgewicht – „Balance“ – befinden sollten. Wir führen nur ein Leben, nicht ein Berufs- und ein Privatleben. Und selbst wenn man dieser gekünstelten Unterteilung noch etwas abgewinnen kann, dann ist es doch so, dass mir das Eine Energie für das Andere geben soll. Wenn ich von den „richtigen“ Menschen umgeben bin, sei es beruflich oder privat, löst sich das Problem der Work-Life-Balance auf. Für alle, die ausgebrannt sind und sich leer fühlen, gibt Albert Schweitzer einen treffenden Rat:

„In jedem Leben kommt es irgendwann einmal vor, dass das innere Feuer erlischt. Durch die Begegnung mit einem anderen Menschen flammt es dann erneut auf. Wir alle sollten dankbar sein für jene Menschen, die den inneren Geist wieder entfachen.“

... Ende Buchausschnitt

 

Das bedeutet nun nicht, dass die Bewältigung der digitalen Transformation unwichtig wäre. Ganz und gar nicht. Auf dem Weg dorthin sollte nur nie der Mensch (Klient, Mitarbeiter, Kollege, Kooperationspartner) übersehen und vernachlässigt werden.

 

2 Kommentare

Michael Heimbrock 22.11.2017 / 17:35 Uhr

Hallo Stefan,
toller Artikel ! Dem kann ich nur zustimmen.
Liebe Grüße aus Köln
Michael

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Stefan Lami 22.11.2017 / 17:52 Uhr

Lieber Michael!

Vielen, vielen Dank für die Blumen.
Und winterliche Grüße aus Tirol an den Rhein!

Stefan

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