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Strategieentwicklung in der Steuerberatungskanzlei
Der Versuch einer Gesamtbetrachtung
09.05.2009Der Begriff Strategie wird in der heutigen Zeit inflationär verwendet und ist dadurch ziemlich unklar geworden. Üblicherweise versteht man unter „Strategie“, was das Unternehmen erreichen will, wo das Unternehmen in den nächsten fünf bis zehn Jahren stehen will etc. Gibt man sich mit dieser Auffassung zufrieden, stellt sich sehr schnell heraus, dass viele Unternehmen das Gleiche wollen. Darin liegt wohl kaum das Spezifische des Begriffs (z. B. ausgezeichnetes Service zu bieten, ein gewisses Wachstum aufweisen zu können, ein neues Marktsegment zu erobern, besondere Kunden zu haben etc.). Dabei handelt es sich eher um einen Positionierungswunsch als eine Strategie.
David Maister hat sich intensiv mit dem Thema „Strategie für Freiberufler“ auseinandergesetzt. Ich möchte in der Folge seine Ansätze erläutern und zeigen, wie Sie die von ihm vertretene Auffassung von Strategie in Ihrer Kanzlei umsetzen können.
Ausgangspunkt ist „wertvoller werden“
Aufgabe jeder Strategie ist es, erstens Wege zu finden, wie man als Steuerberater wertvoller für seine Klienten wird, und zweitens sicherzustellen, dass diese Wege auch beschritten werden. Der folgende Beitrag ist „unlogischerweise“ verkehrt herum aufgebaut. Der Grund dafür liegt darin, dass die Sicherstellung der Umsetzung deutlich schwieriger ist als die Beantwortung der Frage, wie man für Klienten wertvoller wird. Am Ende des Beitrags stelle ich die praktische Vorgangsweise vor.
David Maister (Managing the Professional Service Firm) nennt die folgenden Grundsätze, die bei der strategischen Planung beachtet werden sollen:
1. Bei Strategie geht es mehr um den Aufbau von Kapazitäten als um Marketing.
2. Strategie ist in erster Linie ein Prozess der Festlegung von Investitionsprioritäten.
3. Strategie soll sich in erster Linie mit der Verbesserung der bestehenden Geschäftstätigkeit beschäftigen, und erst danach sollten neue Märkte und Dienstleistungen in Betracht gezogen werden.
4. Strategieentwicklung ist in erster Linie eine kreative Tätigkeit und nicht nur eine analytische.
5. Das Ziel von Strategie ist nicht, vorherzusagen, in welche Richtung sich der Markt bewegt, sondern ein flexibles Unternehmen zu schaffen, das sich jeglicher Marktentwicklung anpassen kann.
6. Der größte Wert strategischer Planung besteht darin, herauszufinden, wie man die „Ideen in die Praxis umsetzt“. Es geht nicht so sehr darum, was Sie tun sollten, sondern wie es getan werden kann.
7. Bei der Umsetzung strategischer Vorhaben in die Praxis kann die strategische Planung nicht auf Überprüfungen der Hauptstrategien des Unternehmens verzichten, wie z. B. der Führungsprozesse, Vergütungssysteme, Bemessungssysteme und Struktur.
Dadurch wird der Begriff „Strategie“ deutlich klarer: Kompetenzen, Fähigkeiten und die Bereitschaft zu investieren (vor allem Zeit) gemeinsam mit konsequentem Handeln entscheiden über die Wirksamkeit jeder Strategie.
Aus dieser Perspektive betrachtet hat strategisches Vorgehen sehr viel mit dem Einhalten einer gesunden Lebensweise im Allgemeinen gemein.
Strategie und Diät - erfolgreich ist, wer sie nicht aufgibt
Wir wissen üblicherweise genau, was wir tun sollten. Privat wie beruflich ist uns, wenn wir ehrlich sind, meist uneingeschränkt und eindeutig klar, was wir tun sollten, wie wir dabei vorgehen müssten und warum wir so vorgehen sollten.
Niemandem muss erklärt werden, dass gesünderes Essen, mehr Bewegung, weniger Alkohol und der Verzicht auf Zigaretten gut für unsere Gesundheit ist. Genauso wenig muss einem Steuerberater erklärt werden, dass noch stärkerer Aufbau von Klientenbeziehungen, Förderung der Mitarbeiter, klare Zielvereinbarungen, Delegieren von Aufgaben, exzellente interne Kommunikation etc. sich auf die Kanzleientwicklung äußerst positiv auswirken.
Tatsache ist allerdings, dass nur die wenigsten auch dementsprechend handeln. Jeder von uns möchte die Früchte der offensichtlich positiven Verhaltensweisen (z. B. gesünderes Essen und mehr Bewegung bzw. bessere Klientenbeziehung und Delegieren von Aufgaben) ernten. Also muss es einen Grund dafür geben, warum die Welt nicht nur aus idealgewichtigen und gesunden Menschen bzw. äußerst erfolgreichen Steuerberatern besteht.
Man denkt, es müsste genügen, den Menschen zu erklären, dass ihr Leben bzw. ihr Unternehmen besser sein könnte, wie man dabei vorgehen sollte und dass sich ihre Anstrengungen lohnen werden. Trotzdem ist diese Auffassung nachgewiesenermaßen falsch. Wenn es nämlich so wäre, gäbe es keine Übergewichtigen, keine Alkoholiker, keine Drogenabhängigen, keine Unternehmen in Schwierigkeiten und keine gescheiterten Beziehungen.
Menschen sind anders „gestrickt“
Die wesentlichste Ursache dafür, dass wir nicht an denjenigen Aufgaben arbeiten, von denen wir wissen, dass sie den größten Effekt haben, liegt darin, dass wir die Ergebnisse erst in der Zukunft erhalten, Anstrengung und Disziplin aber sofort aufzubringen sind.
Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir jetzt unsere Lebensgewohnheiten (Arbeitsweisen) ändern. Dann müssen wir Mut und Energie aufbringen, die neuen Verhaltensweisen beizubehalten, um nicht durch Verlockungen in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Nur so ernten wir später die Früchte unserer Anstrengungen. Leider sind wir Menschen nicht alle für derartige Entscheidungen geschaffen.
Wie oft haben wir uns schon vorgenommen, uns durch ein (persönliches oder berufliches) „Fitnessprogramm“ zu verbessern? Wenn sich jedoch der Erfolg nicht sofort eingestellt hat oder es einen „guten Grund“ gab, wurde das Programm zur Gänze gestoppt. Das ist ein typisches Muster: Sich viel vornehmen, ein wenig ausprobieren, nicht sofort den gewünschten Erfolg haben, bei den ersten Ablenkungen oder Schwierigkeiten aufgeben, den nächsten Versuch starten, wieder (zögerlich) ausprobieren, sich wieder abbringen lassen und frustriert enden. Menschen, die gegen dieses Muster gewappnet sind und Selbstdisziplin aufbringen, nicht aufzugeben, sind – nach meiner Erfahrung – die Ausnahme.
Individuelle Veränderungsprozesse sind auf Grund der beschriebenen Tatsache schon schwierig genug. Für einen Veränderungsprozess in einer Gruppe potenziert sich die Herausforderung.
Welche „Strategie“? Welche „Diät“?
Die erfolgreichste Diät ist die, die man beibehält. Es ist belanglos, für welche Diät man sich entscheidet. Genauso ist es bei der Frage nach der Strategie. Die erfolgreichste Strategie ist die, die man beibehält.
Dazu allerdings eine kleine Einschränkung: Sie kennen sicher den Jo-Jo-Effekt bei Diäten. Das Gewicht, das man schnell verliert, hat man genauso schnell – mit ein paar Kilo mehr – wieder auf den Rippen. Eine Diät funktioniert also niemals in einem Schnellverfahren. Die bekannten Modediäten erzeugen lediglich den Markt für weitere Modediäten. Nur die kontinuierliche Gewichtsabnahme über einen längeren Zeitraum führt zu einem dauerhaften Erfolg. Dafür bedarf es aber immer einer Umstellung der Lebensgewohnheiten.
Auch das gilt uneingeschränkt für die Strategie eines Unternehmens. Eine Strategie, die kurzfristig und unmittelbar zum Erfolg führen soll, ist ein Widerspruch in sich. Strategie und Kurzfristigkeit passen nicht zusammen. Entscheidend sind die kontinuierlichen und über einen längeren Zeitraum beibehaltenen Verhaltensweisen des gesamten Teams. Für den Erfolg einer Strategie bedarf es immer einer Umstellung der Gewohnheiten in der Kanzlei.
Die Frage nach der richtigen Strategie wird häufig durch aufwändige Analysen zu beantworten versucht. Es ist in Ordnung und natürlich notwendig, eine saubere Klientenanalyse vorzunehmen und sich mit seinen Stärken und Schwächen zu beschäftigen, das Ziel einer strategischen Planung liegt aber nicht in analytischen Erkenntnissen, sondern in der Lösung der Probleme und der Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen. Daher lauten die entscheidenden Fragen: „Welche unserer Vorgangsweisen sind wir wirklich bereit, dauernd und für immer zu verändern? Welche Themen sind wir bereit, wirklich zu bearbeiten? Welche Kompetenzen wollen wir wirklich aufbauen?“ Das ist eine ganz andere Art der Fragestellung. Ziele zu diskutieren macht Spaß und ist anregend. Aber darüber zu diskutieren, welche Disziplin man zu akzeptieren bereit ist, um die Ziele zu erreichen, ist unangenehm und manchmal sogar bedrohlich.
Zwei typische Beispiele
Wir alle sind uns sicher einig, dass das Ziel „Differenzierung am Markt durch exzellenten Klientenservice“ sinnvoll ist. Die meisten Kanzleien verfügen über ein derartiges Ziel. Wie viele Kanzleien sind aber bereit, vierteljährlich ein E-Mail an alle Klienten zu schicken, um sie darin aufzufordern, durch das Anklicken der Ampel im E-Mail den Grad ihrer Zufriedenheit bekannt zu geben? „Grün“ steht für volle Zufriedenheit, „Gelb“ bedeutet, dass es gewisse Vorbehalte gibt, und „Rot“ heißt Unzufriedenheit. Alle E-Mails, die mit „Gelb“ oder „Rot“ beantwortet werden, erhält der Inhaber bzw. Partner, der sich verpflichtet, sich persönlich um diese Klienten zu kümmern. Die Ergebnisse werden allen Mitarbeitern in der Kanzlei bekannt gemacht, sodass auch die Sekretärin den Erfolg des Teamleiters, Inhabers oder Partners erkennen kann.
Genauso schnell sind wir uns einig, dass die professionelle Führung der Mitarbeiter ein Erfolgsfaktor für das Unternehmen ist. Wie viele Inhaber, Partner oder Teamleiter sind aber bereit, sich einer monatlichen Bewertung ihrer Führungsqualitäten durch die Mitarbeiter anhand eines kurzen Fragebogens zu unterwerfen? Die Ergebnisse werden in der Kanzlei allen offengelegt und bei den monatlichen Kanzleimeetings besprochen.
Erfolgskriterien für Strategie und Diät
Die folgenden acht Punkte bilden einen guten Startpunkt für die Realisierung von strategischen Zielen. Selbst wenn Sie nicht alle Vorschläge in den strategischen Plan integrieren können, so helfen selbst schon einzelne Punkte, gesetzte Ziele leichter zu erreichen.
1. Einbau in die tägliche Routine: Sie möchten laufen? Dann laufen Sie täglich. Die meisten kennen diesen Rat. Laufen muss zu einem ganz normalen Bestandteil Ihres Tagesablaufs werden. Ähnlich ist es in der Kanzlei: Ihre Ziele müssen in das tägliche Kanzleigeschäft integriert werden. Strategie und Kanzleientwicklung sind keine „Projekte“. Ihre strategischen Ziele müssen Inhalt jeder Kanzleibesprechung sein; kommunizieren Sie wöchentlich die Fortschritte; verwenden Sie und Ihre leitenden Mitarbeiter täglich 15 Minuten für die Erreichung der Ziele.
2. Große Ziele in kleine Schritte zerlegen: Das Ziel, 25 kg abnehmen zu wollen, kann äußerst frustrierend sein, weil man es sich einfach nicht vorstellen kann. Jede Woche ein halbes Kilo dürfte aber für die meisten möglich sein. In einem Jahr haben Sie 25 kg geschafft. Bei der Umsetzung von strategischen Maßnahmen geht es immer um eine relative Verbesserung. Sobald man sich verbessert, auch wenn es nur kleine Schritte sind, ist man auf dem richtigen Weg.
3. Maßeinheiten anpassen: Messen Sie das, was Sie verbessern möchten. Ob z. B. die Klientenzufriedenheit steigt, erfährt man nur, wenn man sie misst.
4. Freiwilligkeit: Diäten funktionieren, wenn man sie für sich selbst macht. Selten bis gar nicht nimmt man ab, wenn man es jemandem anderen zuliebe macht. Die eigene Entscheidung, der eigene Wille, die Selbstverpflichtung sind stärker als „es anderen recht machen wollen“. Inhaber, Partner, Teamleiter, Mitarbeiter – eben alle Menschen im Unternehmen – müssen für sich selbst die gesetzten Ziele erreichen wollen.
5. Prinzipien und Werte: Über Techniken, Maßnahmen und Geschäftspraktiken lässt sich leicht streiten. Über Prinzipien und Werte kann man nicht diskutieren. Unternehmen, die über Werte und Prinzipien verfügen, tun sich leichter bei der Umsetzung von Maßnahmen.
6. Trainer und Coach: Die Tatsache, dass ein Coach hilft, die eigenen Ziele zu erreichen, ist aus dem Spitzensport bekannt. Selbst die Weltklasse (egal in welcher Sportart) weiß um die Vorzüge eines Trainers.
7. Die „richtigen“ Menschen: Stellen Sie sich vor, Sie möchten abnehmen, aber Ihr Lebenspartner nimmt Ihren Vorsatz nicht ernst. Es ist ja schon schwierig genug, den sich immer wieder bietenden Verlockungen zu widerstehen. Jetzt käme dazu, dass Sie auch noch von Ihrem Lebenspartner immer wieder „verführt“ werden (opulentes Essen zu Hause oder im Restaurant etc.). Nur wenn Sie Menschen um sich haben, die hinter Ihren Zielen stehen und Sie dabei unterstützen, werden Sie Erfolg haben. Sind Ihre Mitarbeiter bereit, ihren Teil zur Erreichung der Ziele beizutragen? Solange das nicht so ist, werden Sie scheitern. Finden Sie Mitarbeiter, die die Unternehmensziele tragen, und trennen sie sich von allen, die das nicht tun.
8. Sich selbst „überlisten“: Wir brauchen in schwierigen Situationen einen Trick, um uns selbst zu überlisten: „Nur noch eine Runde, dann habe ich mir eine Pause verdient!“ oder „Jetzt sage ich allen Freunden, dass ich aufhöre zu rauchen, dann ist es mir zu blöd, wenn ich es nicht schaffe“. Suchen Sie in der Kanzlei nach Möglichkeiten, z. B. kleine Erfolge zu feiern, spielerisch Ergebnisse darzustellen oder sich selbst zu verpflichten.
Schenken Sie bei der strategischen Planung der Analyse nicht zu viel Bedeutung. Legen Sie Ihren Fokus auf die genannten Erfolgskriterien. Welche „Diät“ sind Sie bereit, wirklich einzuhalten? Vorschläge für „Diäten“ – also Strategien, wertvoller für Klienten zu werden – finden sie im Folgenden.
Falls Sie dabei feststellen, dass Sie zu keiner „Diät“ bereit sind, so ist das auch in Ordnung. Hören Sie dann aber auch auf, so zu tun als ob.
Wie wertvoller werden?
Eine Steuerberatungskanzlei kann auf vielfältige Art und Weise wertvoller für den Klienten werden. Z. B.:
- Durch die Art der Mitarbeiterrekrutierung; indem Sie nur die wirklich besten Mitarbeiter engagieren.
- Durch das Training der Mitarbeiter; indem Sie über ein intensives Schulungs- und Fortbildungsprogramm verfügen.
- Durch innovative Methoden in der Erbringung der Dienstleistung.
- Durch besseres Verstehen Ihres Klienten; das bedeutet, dass Sie also wirklich wissen, was der Klient will.
- Durch besondere Erfahrungen; insbesondere Branchenerfahrung.
- Durch bessere Organisation Ihrer Kanzlei und/oder eine Spezialisierung.
- Durch spezifisches und außergewöhnliches Expertenwissen.
Es wäre vermessen, davon auszugehen, dass eine kleine oder mittlere Kanzlei all diese Punkte gleichzeitig realisieren kann. Das ist auch gar nicht notwendig. Entscheiden Sie sich für ein oder zwei der genannten Möglichkeiten und arbeiten Sie ausschließlich an diesen. Das reicht verlässlich, sich am Markt zu differenzieren und den Wert für Ihre Klienten zu erhöhen.
Strategie als die Kunst, „Nein“ zu sagen
Jede Entscheidung – und eben besonders eine strategische Entscheidung – hat immer zur Folge, dass man damit alle anderen Alternativen abwählt. Entscheidungen zu treffen, fällt nicht leicht. Ganz im Gegenteil, es fällt schwer, obwohl man schon als Kind bzw. Jugendlicher gelernt hat:
- „Du kannst nicht auf zwei Hochzeiten tanzen.“ (z. B. wenn man nicht wusste, welche der Partys man am gleichen Tag besuchen sollte)
- „Wenn Du alles gleichzeitig willst, dann wirst Du am Schluss gar nichts erreichen.“
- „Man kann es nie allen recht machen.“
- „Du kannst nicht in allen Sportarten gut sein. Es reicht doch, wenn du das oder jenes beherrschst.“
Diese scheinbar trivialen Erkenntnisse des gesunden Menschenverstandes gehen im Geschäftsleben oft verloren bzw. glaubt man, sie würden dort nicht gelten.
Und das, obwohl seit mehr als 30 Jahren nachgewiesen ist, dass die „Focused Factory“ der „Complex Factory“ überlegen ist (Wickham Skinner). Die Kernaussage dieses Konzepts ist:
- Es gibt außer den geringsten Kosten noch weitere Möglichkeiten, um am Markt zu bestehen.
- Ein Unternehmen kann nicht in allen Bereichen außergewöhnlich sein.
- Einfachheit und Wiederholung erzeugen Wettbewerbsvorteile.
Diese Regeln haben immer gegolten und werden immer gelten: Man kann nicht überall besser sein als die Mitbewerber. Es reicht absolut, wenn man ein oder zwei Dinge besser kann als der Rest.
Denken Sie jetzt einfach kurz an Ihre strategischen Entscheidungen: Es ist ziemlich leicht, sich für etwas zu entscheiden (z. B. ein neues Geschäftsfeld angehen oder sich auf eine besondere Aufgabe konzentrieren zu wollen), aber es ist verdammt schwer, sich von etwas zu trennen. Sich eindeutig für etwas zu entscheiden, was auch immer das ist, bedeutet, dass Sie alle übrigen Alternativen damit abwählen. Genau darin liegt der Knackpunkt für die strategische Ausrichtung der Kanzlei.
Umsatzdenken als Ursache?
Bei den meisten Kanzleien liegt die Ursache für eine eindeutige strategische Ausrichtung weit in der Vergangenheit, oft schon ganz am Beginn: Bei der Gründung der Kanzlei war es notwendig, Aufträge – jeder Art – zu bekommen. Jeder Umsatz war in dieser Phase willkommen. Und das setzt sich bis heute fort. Die Grundeinstellung „Warum sollten wir einen Klienten, der uns Geld bringt, ablehnen?“ ist Realität in nahezu der gesamten Branche.
Das führte allerdings dazu, dass man oft zu wenig Zeit für die wirklich interessanten Aufgaben hatte, man kein Unterscheidungsmerkmal – welcher Art auch immer – aufbauen konnte, dass man austauschbar und beliebig wurde.
Strategieentwicklung praktisch – das Strategiemeeting und der Aktionsplan
Eine wirksame Methode der Festlegung einer Kanzleistrategie ist die Durchführung eines Strategiemeetings. Verlassen Sie für ein Wochenende mit Ihrem Führungsteam die Kanzlei und erarbeiten Sie gemeinsam die Ziele und strategischen Maßnahmen.
Auf diesen Vorschlag kann es Ihrerseits jetzt drei grundsätzliche Reaktionen geben, die von Ihren bisherigen Erfahrungen abhängen:
1. Sie haben bisher noch nie etwas Ähnliches gemacht und denken sich daher: „Und was soll das bringen?“ In der Folge möchte ich Ihnen als Antwort auf die Frage ein paar gute Gründe geben.
2. Sie haben bisher schon ein- oder mehrmals ein Strategiemeeting gemacht, aber leider waren Sie enttäuscht, dass die Ergebnisse nicht Ihren Erwartungen entsprachen. In diesem Fall hoffe ich, dass Ihnen meine Tipps helfen, Ihren Standpunkt noch einmal zu überdenken.
3. Sie haben bisher schon sehr erfolgreich Strategiemeetings mit Ihrem Team gemacht. Dann sehen Sie sich von meinen Ausführungen bestätigt und finden vielleicht den einen oder anderen Hinweis darauf, wie Ihnen das nächste Strategiemeeting noch besser gelingen kann.
Gleich vorweg: Ein Strategiewochenende ist kein Betriebsausflug, Urlaub oder Ähnliches. Es hat im Wesentlichen folgende Ziele:
- Entwicklung/Überarbeitung des strategischen Plans der Kanzlei
- Konzentration und Bewusstmachen der kritischen Erfolgsfaktoren
- Verbesserung des Teamgefühls
- Finden neuer Serviceideen
- Steigerung der Energiepotenziale des Teams
Planung des Strategiemeetings
Planung ist der Schlüssel für den Erfolg des Strategiemeetings. Stellen Sie klar fest, was Sie erreichen möchten. Fragen Sie Ihr Team nach möglichen Inhalten.
Planen Sie den Termin ca. drei Monate im Voraus. Erstellen Sie zu diesem Zeitpunkt schon einen provisorischen Tagesablauf, den Sie allen Teammitgliedern zukommen lassen, damit diese ihre Ergänzungen und Wünsche bekannt geben können. Setzen Sie bei den Themen klare Prioritäten, damit sichergestellt ist, dass die wichtigen Themen auf jeden Fall behandelt werden.
Halten Sie das Strategiemeeting keinesfalls in der Kanzlei ab. Durch das Zurückziehen an einen anderen Ort ist es leichter, die Kanzlei „von der Ferne“ zu sehen. Es gelingt Ihnen daher eher, an der Kanzlei und nicht in der Kanzlei zu arbeiten. Achten Sie bei der Auswahl des Ortes darauf, dass Sie mit Ihrem Team auch andere Aktivitäten unternehmen können. Versuchen Sie, eine ausgewogene Mischung aus „Arbeitszeit“ und gemeinsamer „Freizeit“ herzustellen.
Externer Moderator
Ein externer Moderator kann die Themen objektiv betrachten und hilft Ihnen, immer am Ball zu bleiben. Für Sie als Kanzleiinhaber oder Partner kann es schwer sein, Ihre Meinung auszudrücken und gleichzeitig einen Konsens zu erreichen. Oft wird durch eine kanzleiinterne Leitung des Strategiemeetings die Mitarbeit der einzelnen Teammitglieder erschwert oder verhindert, währenddessen ein externer Moderator über umfangreiche Möglichkeiten verfügt:
- Er klärt die Ziele.
- Er kann Sie bei der Erstellung der Besprechungspunkte unterstützen.
- Er kann die Regeln für das Wochenende fixieren und darauf achten, dass diese auch eingehalten werden.
- Er kann aktive Mitarbeit fordern und fördern.
- Er ermöglicht eine zielgerichtete Vorgangsweise.
- Er kann zu Lösungen führen, die nicht berücksichtigt worden wären.
Für eine erfolgreiche Moderation ist Fachkenntnis nicht unbedingt erforderlich. In schwierigen Situationen kann sie allerdings unschätzbaren Wert haben.
Ein externer Moderator kann Ihnen auch dabei helfen, das Mount-Everest-Syndrom zu vermeiden. Darunter versteht man, sich einfach zu viel vorzunehmen. Bildlich gesprochen bedeutet das: Eine Gruppe von Steuerberatern beschließt, einen Berg zu besteigen. Sehr schnell kommt in der Gruppe die Stimmung auf: „Wenn wir schon Bergsteigen, dann aber richtig." Alle reden schon ganz enthusiastisch davon, wie toll es sein wird, auf dem höchsten Berg zu stehen und die Welt von oben zu sehen. Die Gruppe bestimmt dann einen „Projektleiter“, der sich um alle Vorbereitungen kümmern sollte. Gut gelaunt gehen Sie auseinander, ohne darüber gesprochen zu haben, was die Expedition für alle bedeutet. Der Projektleiter beginnt erst noch eifrig mit den Vorbereitungen. Aber spätestens am zweiten Tag wird er durch eine dringende Betriebsprüfung und eine komplizierte Berufung wieder in sein Tagesgeschäft zurückgeholt. Das führt dazu, dass die Gruppe der Steuerberater nicht einmal ins Flugzeug nach Nepal steigt und daher sogar das Basislager in weiter Ferne ist.
Die Erfahrung aus unzähligen Strategiemeetings zeigt, dass ein paar wenige Faktoren darüber entscheiden, ob sich die eingesetzte Zeit lohnt:
- Gegenseitige Erwartungen der Partner bzw. leitenden Mitarbeiter sollten geklärt werden.
- Das Meeting sollte auf die Stärken der Partner bzw. leitenden Mitarbeiter fokussiert sein.
- Maximal drei Kernaufgaben der Inhaber/Partner bzw. der leitenden Mitarbeiter sollten definiert werden, an deren Umsetzung sie sich in den nächsten 1 bis 3 Jahren messen lassen wollen.
- Konkrete Maßnahmen im Zusammenhang mit diesen drei Kernaufgaben pro Partner bzw. leitendem Mitarbeiter sollten ausgearbeitet werden.
Der Aktionsplan
In einem zweiten Schritt informieren Sie alle Mitarbeiter über die Ergebnisse des Strategiemeetings, die bestimmte grundlegende Richtung und die getroffenen Entscheidungen.
In den einzelnen Abteilungen bzw. Teams können in der Folge diejenigen Maßnahmen beschlossen werden, die zur Umsetzung der grundlegenden Entscheidung notwendig sind. Dieser Schritt muss sehr wohl auf der Ebene der Abteilungen oder Teams erfolgen, da die Mitarbeiter die Beschlüsse auch ausführen müssen.
Dafür ist ein einfacher Aktionsplan hilfreich:
Aktion | Verantwortlich | Notw. Zeit |
Erl. bis |
Wie überprüfen? |
Maßnahme 1 | Name | Stunden/Tage | Datum | Erfolgskriterium/Messgröße |
Schreiben Sie noch ganz dick den Satz „Es zählen nur Aktionen und keine Ziele“ unter die Liste. Dieser kurze Satz hat eine entscheidende Bedeutung: Nur Aktionen bringen die Kanzlei tatsächlich weiter.
Diese Vorgangsweise hat den Vorteil, dass man sich zu zeitintensive und langwierige Diskussionen über Ziele erspart. Verstehen Sie mich bitte richtig: Ich bin der Letzte, der sagen würde, dass man keine Ziele braucht. Ganz im Gegenteil, sie sind unbedingt notwendig.
Im Zuge des Erstellens des Aktionsplans sollten Sie sich überlegen, wie Sie
- die Klientenzufriedenheit erhöhen können,
- die Fähigkeiten der Kanzlei verbessern können,
- die Effizienz/Produktivität verbessern können oder
- bessere Aufträge bekommen können.
Genau das sind die grundsätzlichen Ziele jeder Steuerberatungskanzlei! Diese grundsätzlichen Ziele bedürfen lediglich der Individualisierung für Ihre Kanzlei (im Rahmen des Strategiemeetings).
Verantwortung, Budget und Erfolgskriterien
Der Erfolgsfaktor schlechthin ist wirksames Nachverfolgen der beschlossenen Maßnahmen. Um das auch durchführen zu können, braucht jede Maßnahme einen Verantwortlichen, genauer gesagt eine verantwortliche Person. Verantwortung ist immer persönlich, was aber nicht gegen Teamarbeit spricht. Die verantwortliche Person wird zwar zur Umsetzung der beschlossenen Maßnahme meist ein Team brauchen, sie selbst ist aber schlussendlich dafür verantwortlich, dass umgesetzt wird, was vereinbart wurde.
Budgetieren Sie auch die notwendige Zeit und fixieren Sie ein konkretes Datum, bis wann die geplante Aktion umgesetzt werden soll. Nur so haben Sie eine reelle Grundlage für den Aktionsplan. Die besten Maßnahmen helfen nichts, wenn die dafür notwendige Zeit fehlt. Seien Sie mit Ihrer Einschätzung der notwendigen Zeit vorsichtig. Selbst wenn man eine Maßnahme gründlich durchdenkt, lässt sich zu Beginn oft der Umfang der Detailarbeit nicht erkennen.
Ein wichtiger Faktor für den späteren Erfolg der Umsetzung ist, dass Sie bei jeder Maßnahme sofort festlegen, wie die Realisierung und der Fortschritt überprüft werden.
Zeithorizont
Der Aktionsplan sollte einen Zeithorizont von drei bis maximal sechs Monaten haben. Alle Maßnahmen, die darüber hinausgehen, sind zu unbestimmt. Der Aktionsplan verliert damit an Wirksamkeit und ist zu vage.
Nach drei Monaten analysieren Sie den Fortschritt der Aktionen und beschließen den Aktionsplan für die nächsten drei Monate. Dieser Prozess sollte sich ständig und regelmäßig wiederholen, nur dann zeigt er Wirkung. Nehmen Sie sich daher beim ersten Mal nicht zu viel vor. Denn diese Gefahr besteht leider. Viel besser und wirksamer ist es, konstant an der Realisierung zu arbeiten. Es gilt das Erfolgsprinzip: Mäßig, aber regelmäßig.
Resümee
Sie erkennen aus diesen Ausführungen, dass es mir um eine andere als die üblicherweise verstandene Art der Strategieentwicklung geht. Sie vermeidet die Ausarbeitung von großartigen strategischen Konzepten, die nur selten bis gar nie umgesetzt werden. Stattdessen orientiert sie sich ausschließlich an der Verwirklichung und Implementierung von Maßnahmen, die Ihre Kanzlei für den Klienten wertvoller machen.
2 Kommentare
wolfgang.oehler@oehler-steuerberater.de 13.01.2014 / 10:49 Uhr
Ich werde Sie ja in Lech a.A. am WE des 20-23.03.2014 kennelernen.
Wie kann ich in meiner Kanzlei mit einem weiteren Partner(Bruder)
mit 23 Mitarbeitern diejenigen herausfinden, welche an einem
Strategiemeeting Interesse haben bzw. dafür geeignet sind?
Niemand davon ist mit Führungsaufgeben betraut.
Stefan Lami 14.01.2014 / 09:27 Uhr
Lieber Herr Oehler!
Vielen Dank für Ihre Nachfrage. Bei der Festlegung der Strategie (Wohin möchten wir uns entwicklen?) ist der Teilnehmerkreis ein sehr kleiner. Möglicherweise nur Sie und Ihr Bruder. Eventuell Mitarbeiter, die bereits lange in der Kanzlei sind, ein "gewichtiges" Wort haben, die sich auch sonst bei anderen Projekten engagieren oder die informelle Führungsaufgaben übernehmen. Wahrscheinlich werden das 2 bis max. 5 Mitarbeiter sein.
An einem Treffen, in dem es um die Umsetzung der festgelegten Strategie geht, sollten alle Mitarbeiter teilnehmen. Das ist eine Art "Kick-Off", in dem die großen und wichtigen Ziele konkretisiert werden, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten festgelegt werden.
Herzliche Grüße - ich freue mich auf unser Treffen in Lech!
Stefan Lami