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Spezialisierung - eine strategische Option
Die Möglichkeiten sind vielfältiger als man glaubt
29.08.2005Spricht man mit Steuerberatern über Spezialisierung, so erlebt man einerseits hohe Zustimmung und Bewunderung für all jene Kollegen, die es geschafft haben, sich zu spezialisieren. Andererseits ist aber auch Ablehnung und Zurückhaltung, bezogen auf sich selbst und die eigene Kanzlei erkennbar, die auf die (vermeintlichen) Risiken einer Spezialisierung zurückzuführen sind.
Die Annäherung an das Thema Spezialisierung erfolgt in vielen Fällen zu eng. Viele Kollegen denken nur an eine Branchenspezialisierung. Betrachten Sie die folgenden Möglichkeiten, und Sie werden erkennen, welch vielfältige Möglichkeiten der Spezialisierung es gibt:
- nach Branchen: Freie Berufe, Industrie, Handel, Gastronomie, Bauwirtschaft, etc.
- nach steuerrechtlichen Fachgebieten: Umsatzsteuer, Finanzstrafrecht, Umgründungssteuerrecht, internationales Steuerrecht, etc.
- nach weiteren Fachgebieten: Betriebswirtschaftliche Beratung, private Vermögensplanung, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, etc.
- nach Beratungssituationen: Unternehmensgründung, Unternehmensverkauf, Sanierung, Unternehmensübergabe, etc.
- nach Beraterrollen: Coach, Mediator, Gutachter, Sachverständiger, etc.
- nach Unterstützungsprozessen: EDV, Qualitätsmanagement, Organisation, Marketing, etc.
- weitere Möglichkeiten: Sprachen, Regionen, Altersgruppen, Rechtsformen, etc.
Bedenkt man noch, dass auch Kombinationen aus den aufgezählten Bereichen möglich sind, erkennt man, welches Potenzial im Thema Spezialisierung steckt.
Die richtigen Fragen stellen
Strategie hat vor allem damit zu tun, die richtigen Fragen zu stellen. Es geht darum, wie man als Steuerberater, als Partner einer Kanzlei, als Teamleiter oder als Mitarbeiter wertvoller für Klienten, Kollegen oder die Kanzlei insgesamt werden kann. Spezialisierung ist dafür eine ausgezeichnete Option. Um herauszufinden, worauf Sie sich spezialisieren können, helfen die folgenden Fragen:
1. Wo liegen meine Stärken/Neigungen/Begeisterungen/Interessen/besonderen Fähigkeiten?
2. Was treibt mich an? Womit verbringe ich meine Zeit?
3. Habe ich schon ein Alleinstellungsmerkmal, auf dem ich - entsprechend meinen Stärken - aufbauen kann?
4. Für welche Klienten (möglicherweise auch interne „Klienten“ der Kanzlei) möchte ich durch meine besonderen Fähigkeiten wertvoller werden?
5. Gibt es einen Markt? Und ist der Markt groß genug?
6. Passen meine besonderen Fähigkeiten zur Strategie der Kanzlei?
Von der Idee zur Umsetzung
Die Schwierigkeit bei der Realisierung einer persönlichen (oder kanzleiweiten) Spezialisierung liegt selten darin, ein Thema zu finden, das besonders attraktiv, spannend und lohnend erscheint. Die große Herausforderung ist, festzustellen, auf welche Tätigkeiten man in Zukunft verzichtet und wie man dabei vorgeht.
Der erste Schritt ist eine sorgfältige Analyse der Ausgangssituation und der eigenen Stärken. Externe Unterstützung ist bei diesem Prozess von enormem Vorteil. Sei es durch ein Coaching oder ein moderiertes Strategie-Meeting, Sie erhalten einen Blick auf Ihre persönliche Situation von Außen bzw. Ihrer Kanzlei und erhalten so Unterstützung im Prozess.
In einer kleineren Kanzlei kann Spezialisierung zur Konsequenz haben, dass Kooperationspartner für bisherige Aufgaben gesucht werden müssen. In größeren Kanzleien bedeutet Spezialisierung meist „Diversifikation“ in Form des Aufbaus eines neuen Geschäftsfeldes. Das erfordert unterschiedliche Vorgangsweisen bei der Umsetzung.
Eine strategische Option?
Der Titel dieses Beitrags ist mit einem Fragezeichen versehen, bewusst, um Ihnen eine Antwort offen zu lassen. Tatsächlich müsste man aber ein Rufezeichen setzen. Denn auf längere Sicht betrachtet wird sich der Konzentrationsprozess im Steuerberatermarkt fortsetzen und beschleunigen. Kanzleien werden größer und können dadurch eine umfangreichere Dienstleistungspalette anbieten (One-Stop-Shopping). Kleinere Kanzleien werden nur erfolgreich bestehen können, wenn sie sich entsprechend ihrer Stärken die passenden Aufgaben suchen und sich auf diese konzentrieren.
Spezialisierung ist daher meines Erachtens keine Option mehr. Was für die eine Gruppe – die großen Kanzleien – eine Strategie der Diversifikation ist, bedeutet für die andere Gruppe – die kleinen Kanzleien – eine Strategie der Spezialisierung. Wie in anderen Branchen auch, ist die Mitte besonders gefährdet: Eben genau jene Unternehmen, die weder das eine noch das andere erfolgreich realisieren.