Mag. Stefan Lami - Steuerberatung - Unternehmensberatung

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Gelernte Tugenden als Hemmschuh

Eingefahrene Routinen behindern Flexibilität, Kreativität und Motivation

16.03.2005

Wir Österreicher, und in beinahe identischer Weise unsere deutschen Nachbarn, sind weithin für unsere Korrektheit, Gewissenhaftigkeit und eine Fülle von bürokratischen Regeln bekannt. Unsere Nachbarn zeichnen sich auch durch ihre preussische Gründlichkeit aus.

Alle, die wir in diesen Ländern gross werden, das meine ich jetzt im doppelten Sinn, persönlich, wie auch als Unternehmen, bekommen diese Tugenden sozusagen mit in die Wiege gelegt. Wir können uns diesem Lernen kaum entziehen, so tief verankert sind diese Eigenschaften im gesamtgesellschaftlichen System. Sie werden einerseits nicht nur vermittelt, sondern ebenso von Partnern, Kollegen, Mitarbeitern und Chefs, erwartet.

Niemand, also auch ich nicht, würde jemals zu behaupten wagen, dass dies nicht Eigenschaften wären, die im Geschäftsleben durchaus als Tugenden anzusehen sind. Ich habe knapp zwei Jahre im Ausland (in Südamerika!) gearbeitet und mir dabei oft diese Eigenschaften bei meinen Geschäftspartnern gewünscht.

Übergänge sind fliessend

Doch kommt übermässige Gründlichkeit überbesorgtem Kontrollieren oft bedenklich nahe. In Gesellschaften, in denen das Anstreben grösstmöglicher Perfektion und das Anhäufen von immer ausgefeilteren Regeln zur persönlichen, wie auch zur geschäftlichen Kultur gehören, fällt es oft gar nicht mehr auf, wenn Kontrollmechanismen und Regeln dem Zwanghaften schon verdächtig nahe sind.

Die Gefahr liegt darin, dass die Übergänge zum Zwanghaften fliessend sind.

Überlegen Sie kurz für Ihre persönliche Situation,

  • bei welchen Tätigkeiten Sie (eigentlich) länger als nötig oder sinnvoll verweilen?
  • wie viele Gespräche Sie führen, wie viele Fahrten Sie unternehmen und wie viele Termine Sie planen, deren Aufwand sich nicht rechtfertigen?
  • wie viel Zeit eines Tages von Routinen aufgesogen wird, ohne dass Sie die Zeit haben abzuwägen, was wichtig und was weniger wichtig ist?
  • ob Sie überhaupt die Freiheit haben, darüber zu entscheiden, ob der Aufwand gerechtfertigt ist?
  • wie oft wir auf eingefahrenen Meinungen, Vorschriften und Regeln beharren, ohne Bereitschaft, auch einmal ein Risiko einzugehen oder eine Chance zu ergreifen, deren Erfolg nicht berechenbar ist?

Risiko

Das Wort Risiko stammt von dem italienischen Wort für »wagen« -  »risicare«. Die Wurzel des Wortes suggeriert uns eine Haltung von Mut und Selbstsicherheit. Wer wagt, gewinnt!

All die Kosten, die ausufernde Gründlichkeit, penible Planung und Abschätzung jeglichen Risikos verursachen, werden oft übersehen. Wir sind meist weit davon entfernt, selbstsicher etwas Neues zu wagen, dessen Chancen und Risiken nicht vorher immer wieder abgewogen werden. Unsere gelernten – und grundsätzlich positiven - Eigenschaften, also die Tugenden der Gründlichkeit, Korrektheit und Gewissenhaftigkeit, werden so zu einer Blockade, ohne, dass uns das jemals bewusst zu werden scheint. Zwanghaft versuchen wir, uns selbst und anderen gerecht zu werden, und merken dabei nicht wie uns dabei Flexibilität, Kreativität und Motivation kontinuierlich abhanden kommen.

Sehr bedauerlich, denn das sind die wohl wichtigsten Faktoren für Innovationen. Besonders in Unternehmen sind die Auswirkungen dieser Situation fatal, denn es gibt keine Weiterentwicklung und kein strategisches Vorgehen ohne Innovationen.

Ich plädiere hier keineswegs für das Risiko an sich oder allzu riskantes Unternehmertum. Aber selbst, wenn alles „Risiko-auf-sich-nehmen“ wie eine Reise ins Unbekannte ist, so hat doch jeder Reisende gewöhnlich ein Ziel vor Augen.

Ziele

Sie als Kanzleiinhaber/Partner haben (hoffentlich) Ziele vor Augen. Ihre Mitarbeiter wissen (hoffentlich) von den Zielen Ihrer Kanzlei. Wenn aber Ihre Mitarbeiter die Arbeit mehr aus Gewohnheit und Routine verrichten, als aus der Überzeugung heraus, gemeinsame Ziele erreichen zu wollen, rückt das Erreichen dieser Ziele in weite Ferne.

Es steht ausser Frage, dass wir im privaten wie im beruflichen Alltag nicht gänzlich ohne feste Routinen auskommen können. Im Gegenteil, routinierte Abläufe vermitteln uns das Gefühl von Sicherheit und Können. Viele Dinge werden durch sie erleichtert. Entscheidend ist das Gleichgewicht zwischen Gewohnheit und Veränderung. Veränderung nur der Veränderung wegen ist genauso schädlich wie Routinen, die einen immer grösser werdenden Anteil unserer Handlungen steuern. Es passiert dann, dass „bewährte“ Strategien zur Problemlösung zu „Dauerbrennern“ werden, obwohl sie von Entwicklungen längst überrollt worden sind.

Wie ist es möglich, dass schädliche Handlungsstrategien – oft auch noch wider besseren Wissens – im Einsatz bleiben?

Angst

Die Psychologie sagt, dass uns leider ein tiefsitzende Emotion daran hindert neue Wege auszuprobieren. Es ist pure Angst, die verhindert, dass Menschen einmal bewährte Verhaltensmuster wieder aufgeben. Es ist die Angst

  • die Sicherheit zu verlieren
  • vor Kontrollverlust
  • den Überblick über komplexe Zusammenhänge zu verlieren
  • die Angst etwas falsch zu machen

Haben Menschen einmal Strategien entwickelt, deren Anwendung positive Konsequenzen zeigen, so verfestigen sich diese leicht zu Gewohnheiten. Das entspricht ganz unserem Bedürfnis nach Sicherheit. Warum sollte man auch eine bisher erfolgreiche Strategie abändern oder auch nur hinterfragen? Feste Gewohnheiten eignen sich also gut dazu, jegliche Ängste vor Risiken oder Unberechenbarkeiten zu verhindern, ja sie uns leider nicht einmal bewusst werden zu lassen.

Ein Mensch, der täglich mit maximalem Einsatz seine Arbeit gründlich erledigt, kommt meist gar nicht auf die Idee, dass er unbewusst von Ängsten gesteuert sein könnte.

Die Aussage: „Das haben wir immer schon so gemacht, und bisher war es ja ganz erfolgreich“, ist DER Killer für Innovation.

Die Tugend wird zum Hindernis

Die grundsätzlich positiven Eigenschaften der Korrektheit und Gewissenhaftigkeit, die in der Steuerberatung unbedingt notwendig sind, um Erfolg zu haben, werden zu einer der grössten Hürden für die Entwicklung der Kanzlei. Steuerberater, und insbesondere Wirtschaftsprüfer, müssen risikoscheue Menschentypen sein. Mitarbeiter in Kanzleien sind aus ähnlichem Holz geschnitzt.

Was können Sie aber tun, um Ihre Tugenden einmal kritisch in Frage zu stellen?

Eine Übung für Sie und Ihre Mitarbeiter

Suchen Sie nach Situationen in Ihrem Alltag, sowohl im Privatleben wie auch im Berufsleben, in denen Sie immer wieder nach demselben Muster verfahren. Bitten Sie Menschen in Ihrer Nähe, Ihnen solche Muster zu nennen. Stellen Sie sich dann die Frage: Wie könnte ich mich in dieser Situation anders verhalten? Seien Sie dabei mutig, wenn nicht sogar übermütig.

Sie werden erkennen, dass es immer eine Reihe von Möglichkeiten gibt. Und Sie werden dann eine Wahl treffen (müssen): Auf das „bewährte“ Muster zurückzugreifen, oder etwas Neues auszuprobieren. Alleine die Auseinandersetzung mit dieser Frage hat eine entscheidende Konsequenz: Sie werden sich bewusst, dass Sie immer mehrere Optionen haben, selbst wenn Sie trotzdem wieder auf das „Bewährte“ zurückgreifen.

Die Psychologie lehrt uns, dass Sie mit solchen Übungen, ein Zugang zu Ihrem Selbst finden können. „Das Selbst ist ein wertvoller Ort. Er stellt ein System all unseres intuitiven Wissens über bisherige Erfahrungen dar“.

Sie können sich das wie einen Pool an Handlungsoptionen vorstellen. Bringen Sie ihn doch zum Fließen. Sie werden dann zwar die Behaglichkeit eingefahrener „Tugenden“ verlassen, erhalten dafür allerdings Flexibilität, Kreativität und Motivation.

Wer will denn bei soviel Auswahl noch bei einem (dem alten „bewährten“) Muster bleiben?

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Wählen.

 

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