In so gut wie jedem Gespräch, das ich die letzten Wochen und Monate mit Kollegen geführt habe, war Mitarbeitersuche das bestimmende Thema. Die Auftragslage ist bei gut organisierten Kanzleien außergewöhnlich gut. Neuklienten und weitere Aufträge bei Bestandsklienten sind an der Tagesordnung. Allerdings bestehen enorme Personalengpässe und neue Mitarbeiter zu gewinnen, ist – so die Schilderungen der Kollegen – nahezu unmöglich.

Zur Mitarbeitersuche und -gewinnung habe ich bereits mehrfach berichtet. Lesen Sie dazu z.B. Neue Wege der Mitarbeitergewinnung mit allen dort vorkommenden weiterführenden links.

Meine Beobachtungen zur aktuellen Lage in Bezug auf die Mitarbeitersuche in der Branche sind die folgenden:

Trotz all dieser Bemühungen gelingt es nicht in zufriedenstellendem Ausmaß, die vorhandene Personallücke zu schließen.

In den bereits erwähnten Beiträgen meiner Homepage hebe ich die unglaubliche Bedeutung des bestehenden Teams für die Mitarbeitergewinnung hervor. Schwärmen die derzeitigen Mitarbeiter von Ihrer Kanzlei? Bei jeder sich bietenden Gelegenheit, von sich aus, ungefragt und überzeugend! Dann ist ein Großteil erfolgreicher Mitarbeitergewinnung geschafft.

Meine Beobachtung dazu ist, dass diese extrem positive Mundpropaganda nur selten geschieht, obwohl Kanzleien inzwischen eine Fülle von attraktivitätssteigernden Maßnahmen gesetzt haben:

Die Liste lässt sich noch um viele weitere „Goodies“ und „Benefits“ erweitern.

Nun drängt sich die Frage auf, warum Ihre Mitarbeiter immer noch nicht bzw. viel zu wenig von Ihrem Arbeitsplatz und Ihrer Kanzlei ins Schwärmen geraten.

Ich sehe hier fünf Antwortfelder, deren Bewältigung eine große Herausforderung darstellt und die einen möglicherweise zu wenig beachteten Kern beinhaltet.

  1. Die enorme Bedeutung der Inhaber, Partner und Teamleiter

Der unmittelbare Vorgesetzte prägt die Zufriedenheit des Mitarbeiters. Mehrfach habe ich darüber bereits berichtet. U.a. im Beitrag Mit den Augen eines Auszubildenden und den dort weiterführenden Hinweisen.

„Fähige Mitarbeiter brauchen fähige Führungskräfte“ und „Mitarbeiter entscheiden sich für Firmen und verlassen Chefs“ sind zwei Merksätze, die man sich immer wieder in Erinnerung rufen sollte.

Erkennt das Team, dass Führungskräfte hart an sich selbst arbeiten, alles nur Mögliche tun, um aus dem Team das bestmögliche Team zu machen, dann werden sie das in ihrem Bekanntenkreis auch erzählen. Und bedenken Sie bitte, dass das auch für negative Erfahrungen gilt. Nur in einem viel größeren Ausmaß! Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang ist, dass Sie durch Ihr Führungsverhalten sehr viel gestalten können und Sie damit eine solide Basis für erfolgreiche Mitarbeitergewinnung legen können.

Einen Aspekt sollten Sie für dieses Handlungsfeld auf alle Fälle beachten: Unklare Führungsstrukturen sind Gift für die Mitarbeiterzufriedenheit. Wenn mehrere Partner/Teamleiter mit ihren unterschiedlichen Herangehensweisen den gleichen Mitarbeiter führen, ist – trotz guter Abstimmung zwischen den Führungskräften – eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit nur sehr schwer zu erreichen.

Die Führungsqualität der Führungskräfte ist ein guter Startpunkt für Mitarbeiterbegeisterung. Allerdings ist sie erst ein Startpunkt.

  1. Arbeitsfortschritt als Motivator

Im Beitrag Motivation des Kopfarbeiters mit den dort weiterführenden Inhalten, stelle ich vor, dass Arbeitsfortschritt DER wichtigste Motivator für Kopfarbeiter ist.

Wie sollte ein Mitarbeiter einer Steuerberatungskanzlei positiv von seiner Arbeit sprechen, wenn er täglich frustriert den Arbeitsplatz verlässt, weil er seine Arbeiten nicht abschließen, erledigen konnte? Hier ist aus meiner Sicht ein enormes Handlungsfeld. Die Organisation als solche, die Führungskräfte und die Zusammenarbeit im Team müssen darauf ausgerichtet sein, dass Mitarbeiter Ergebnisse erzielen können. 

Eine Fülle von Hinweisen und Möglichkeiten dafür finden Sie in den oben genannten Beiträgen.

  1. Der Wandel zum IT-Beruf

Steuerberatung, insbesondere die deklaratorische Steuerberatung mit all seinen Erstellungs- und Datenverarbeitungsprozessen, ist inzwischen ein IT-Beruf geworden.

Gelungene Automatisierung – nicht Digitalisierung – ist derzeit noch ein Wettbewerbsvorteil im Markt. Kanzleien können sich durch die Prozessoptimierung beim Klienten am Markt unterscheiden. Lesen Sie dazu Was hat Prozessoptimierung mit Disruption gemein?

Das wird dauerhaft nicht so bleiben. Der gekonnte Einsatz der IT wird zum Überlebenskriterium werden.

Meine Beobachtung ist, dass dieser Wandel zum IT-Beruf bei der Mitarbeitersuche noch nicht ausreichend bzw. gar nicht kommuniziert wird. Diese entscheidende Facette des Berufs, die ihn übrigens aufwertet und attraktiver macht, ist bei jungen Menschen in den Schulen, Fachholschulen und Universitäten noch viel zu wenig präsent. Dort dominiert leider immer noch das traditionelle Berufsbild.

Nutzen Sie jede sich bietende Gelegenheit und sprechen Sie mit Bekannten und Freunden aus anderen Branchen über das Berufsbild von Mitarbeitern in der Steuerberatung.

Damit ein attraktives Bild des Berufs im Zusammenhang mit dem Einsatz der IT vermittelt werden kann, ist es natürlich notwendig, auf der „Klaviatur der Anwendungen virtuos spielen zu können“. Betrachten Sie daher die Automatisierungsnotwendigkeiten aus dem Blickwinkel der damit höheren Attraktivität des Berufs für junge, engagierte, aufgeschlossene Leute. Nicht nur aus den Schulen, sondern auch aus anderen Branchen.

  1. Echte Top-Gehälter

Am Beginn dieses Beitrags erwähnte ich die in letzter Zeit vorgenommenen spürbaren Erhöhungen/Anpassungen der Gehälter in der Branche. Ich denke allerdings, dass hier noch sehr viel zu tun ist. Für echte Experten im Steuerrecht, Rechnungswesen bzw. Personalmanagement, die die Mitarbeiter in der Steuerberatung sein sollten, müssen die Gehälter in der Branche höher liegen als die Gehälter der entsprechenden Positionen in den gewerblichen Betrieben und Industrieunternehmen. Die Aufgaben sind im Regelfall anspruchsvoller, vielfältiger und mit einem höheren Termindruck versehen.

Den mit diesem Gedanken ausgelösten Aufschrei in der Branche beantworte ich mit der unternehmerischen Aufgabe, effektiver und intelligenter die bestehenden Aufgaben zu lösen. In jeder der vier bekannten Schichten der Produktivität

erkenne ich in allen Kanzleien große Potenziale. Werden diese realisiert, dann sind deutlich höhere Gehälter möglich UND das Kanzleiergebnis verbessert sich.

  1. Der Kern erfolgreiche Mitarbeitergewinnung: Die Wirkung der Tätigkeit als solche

Die Verbesserung der bisher genannten Handlungsfelder hat verlässlich Auswirkungen auf die Ergebnisse der Mitarbeitersuche. Sie treffen allerdings nicht den Kern. Denken Sie über die folgenden Fragen nach:

Auch jetzt kann ich den Aufschrei der Partner und Inhaber fast schon hören. „Wir würden es uns wünschen, dass unser Team deutlich früher und näher am Klienten und insgesamt aktiver handelt!“

Die Realität sieht allerdings ernüchternd aus. Nicht nur bei den Klienten sind Steuerberater im Verruf, immer zu spät dran zu sein. Lesen Sie dazu auch Sich abheben durch Erkennen von Fehlentwicklungen mit dem dortigen Dokument „Das Image der Steuerberater“ zum Downloaden. Auch auf dem Mitarbeitermarkt ist diese Meinung stark vertreten.

Insofern ist die Notwendigkeit, eine extrem zeitnahe und inhaltlich richtige Bearbeitung zu erreichen, wie ich sie im Beitrag Das perfekte Rechnungswesen als Erfolgsfaktor beschrieben habe, nicht für Klienten wichtig, sondern sie stellt den Kern erfolgreicher Mitarbeitergewinnung dar.

Natürlich wird die Dokumentation von unternehmerischen Vorgängen weiterhin ein wesentlicher Bestandteil der Leistungen für Steuerberatungskanzleien bleiben. Die entscheidende Frage ist nur „wann und wie?“ erfolgt diese Dokumentation. Und natürlich welche Schlüsse, Erkenntnisse und Maßnahmen aus dieser zeitnahen Dokumentation mit dem Klienten besprochen werden. Hier beginnt die Attraktivität des Berufs. Mit diesen Aufgaben werden Menschen erkennen, dass sie durch ihre Arbeit einen Mehrwert für den Klienten schaffen können.

Darauf aufbauend lässt sich „das Warum“ der Steuerberatung im Allgemeinen und Ihrer Kanzlei im Besonderen klarer herausarbeiten und kommunizieren. Erkennen Menschen den Sinn einer Tätigkeit, sind sie dafür leichter zu gewinnen. Besonders bei jungen Leuten spielt die Sinnfrage eine außerordentlich große Rolle.

Resümee und Vision

Stellen Sie sich vor, dass Sie glaubwürdig darstellen können, dass Ihre Kanzlei

  1. über exzellente Führungskräfte verfügt
  2. eine Arbeitsorganisation hat, die zielsicher Ergebnisse ermöglicht
  3. die IT umfassend, zeitsparend und sinnvoll einsetzt
  4. Top-Gehälter bezahlt

und – ganz entscheidend:

  1. Alle Mitarbeiter hautnah am Geschehen der Klienten arbeiten, indem die notwendige Dokumentation weitestgehend automatisiert durchgeführt wird. Jeder Mitarbeiter weiß nicht nur, was er für das unternehmerische Leben der Klienten beiträgt, sondern er macht es auch regelmäßig. Die Folge daraus ist, dass Ihre Klienten von jeder Begegnung mit ihren Mitarbeitern schwärmen.

Ist bei dieser Vision noch eine wie bisher durchgeführte Mitarbeitersuche notwendig? Und falls ja, wie würde sie dann aussehen? Ist eine Stellenanzeige überhaupt noch sinnvoll, wenn das gesamte Team bei jeder sich bietenden Gelegenheit extrem positiv zu den genannten fünf Handlungsfeldern spricht?

Ist es dann nicht nur wahrscheinlich, sondern sogar realistisch, dass Menschen in Ihrer Kanzlei unbedingt arbeiten möchten und sich initiativ bewerben? JA!