Mag. Stefan Lami - Steuerberatung - Unternehmensberatung

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Der Kern erfolgreicher Mitarbeitergewinnung

Eigentlich ziemlich logisch, allerdings schwierig umzusetzen

17.05.2022

In so gut wie jedem Gespräch, das ich die letzten Wochen und Monate mit Kollegen geführt habe, war Mitarbeitersuche das bestimmende Thema. Die Auftragslage ist bei gut organisierten Kanzleien außergewöhnlich gut. Neuklienten und weitere Aufträge bei Bestandsklienten sind an der Tagesordnung. Allerdings bestehen enorme Personalengpässe und neue Mitarbeiter zu gewinnen, ist – so die Schilderungen der Kollegen – nahezu unmöglich.

Zur Mitarbeitersuche und -gewinnung habe ich bereits mehrfach berichtet. Lesen Sie dazu z.B. Neue Wege der Mitarbeitergewinnung mit allen dort vorkommenden weiterführenden links.

Meine Beobachtungen zur aktuellen Lage in Bezug auf die Mitarbeitersuche in der Branche sind die folgenden:

  • Die Branche hat vermehrt Mitarbeiterführung und -entwicklung als den entscheidenden Erfolgsfaktor erkannt.
  • Die Gehälter sind sukzessive erhöht/angepasst worden. Auch wenn sie, so meine Einschätzung, immer noch nicht auf einem adäquaten Niveau – z.B. im Vergleich zur Industrie – angelangt sind.
  • Kanzleien unternehmen inzwischen viele Aktivitäten zur Mitarbeitergewinnung.
  • Meiner Empfehlung, immer Mitarbeiter zu suchen und dies auch auf allen möglichen Kanälen zu tun, wird sehr oft gefolgt.

Trotz all dieser Bemühungen gelingt es nicht in zufriedenstellendem Ausmaß, die vorhandene Personallücke zu schließen.

In den bereits erwähnten Beiträgen meiner Homepage hebe ich die unglaubliche Bedeutung des bestehenden Teams für die Mitarbeitergewinnung hervor. Schwärmen die derzeitigen Mitarbeiter von Ihrer Kanzlei? Bei jeder sich bietenden Gelegenheit, von sich aus, ungefragt und überzeugend! Dann ist ein Großteil erfolgreicher Mitarbeitergewinnung geschafft.

Meine Beobachtung dazu ist, dass diese extrem positive Mundpropaganda nur selten geschieht, obwohl Kanzleien inzwischen eine Fülle von attraktivitätssteigernden Maßnahmen gesetzt haben:

  • Flexible Arbeitszeiten
  • Home-Office-Möglichkeiten
  • Moderne Büroeinrichtung bis hin zum höhenverstellbaren Schreibtisch
  • Aus- und Fortbildungskosten werden vollständig übernommen
  • Tankgutscheine oder Tickets für den öffentlichen Verkehr
  • Essensgutscheine oder Essen in der Kanzlei
  • Team-Events
  • i-Pads oder Tablets
  • Firmen-Handy
  • etc.

Die Liste lässt sich noch um viele weitere „Goodies“ und „Benefits“ erweitern.

Nun drängt sich die Frage auf, warum Ihre Mitarbeiter immer noch nicht bzw. viel zu wenig von Ihrem Arbeitsplatz und Ihrer Kanzlei ins Schwärmen geraten.

Ich sehe hier fünf Antwortfelder, deren Bewältigung eine große Herausforderung darstellt und die einen möglicherweise zu wenig beachteten Kern beinhaltet.

  1. Die enorme Bedeutung der Inhaber, Partner und Teamleiter

Der unmittelbare Vorgesetzte prägt die Zufriedenheit des Mitarbeiters. Mehrfach habe ich darüber bereits berichtet. U.a. im Beitrag Mit den Augen eines Auszubildenden und den dort weiterführenden Hinweisen.

„Fähige Mitarbeiter brauchen fähige Führungskräfte“ und „Mitarbeiter entscheiden sich für Firmen und verlassen Chefs“ sind zwei Merksätze, die man sich immer wieder in Erinnerung rufen sollte.

Erkennt das Team, dass Führungskräfte hart an sich selbst arbeiten, alles nur Mögliche tun, um aus dem Team das bestmögliche Team zu machen, dann werden sie das in ihrem Bekanntenkreis auch erzählen. Und bedenken Sie bitte, dass das auch für negative Erfahrungen gilt. Nur in einem viel größeren Ausmaß! Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang ist, dass Sie durch Ihr Führungsverhalten sehr viel gestalten können und Sie damit eine solide Basis für erfolgreiche Mitarbeitergewinnung legen können.

Einen Aspekt sollten Sie für dieses Handlungsfeld auf alle Fälle beachten: Unklare Führungsstrukturen sind Gift für die Mitarbeiterzufriedenheit. Wenn mehrere Partner/Teamleiter mit ihren unterschiedlichen Herangehensweisen den gleichen Mitarbeiter führen, ist – trotz guter Abstimmung zwischen den Führungskräften – eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit nur sehr schwer zu erreichen.

Die Führungsqualität der Führungskräfte ist ein guter Startpunkt für Mitarbeiterbegeisterung. Allerdings ist sie erst ein Startpunkt.

  1. Arbeitsfortschritt als Motivator

Im Beitrag Motivation des Kopfarbeiters mit den dort weiterführenden Inhalten, stelle ich vor, dass Arbeitsfortschritt DER wichtigste Motivator für Kopfarbeiter ist.

Wie sollte ein Mitarbeiter einer Steuerberatungskanzlei positiv von seiner Arbeit sprechen, wenn er täglich frustriert den Arbeitsplatz verlässt, weil er seine Arbeiten nicht abschließen, erledigen konnte? Hier ist aus meiner Sicht ein enormes Handlungsfeld. Die Organisation als solche, die Führungskräfte und die Zusammenarbeit im Team müssen darauf ausgerichtet sein, dass Mitarbeiter Ergebnisse erzielen können. 

Eine Fülle von Hinweisen und Möglichkeiten dafür finden Sie in den oben genannten Beiträgen.

  1. Der Wandel zum IT-Beruf

Steuerberatung, insbesondere die deklaratorische Steuerberatung mit all seinen Erstellungs- und Datenverarbeitungsprozessen, ist inzwischen ein IT-Beruf geworden.

Gelungene Automatisierung – nicht Digitalisierung – ist derzeit noch ein Wettbewerbsvorteil im Markt. Kanzleien können sich durch die Prozessoptimierung beim Klienten am Markt unterscheiden. Lesen Sie dazu Was hat Prozessoptimierung mit Disruption gemein?

Das wird dauerhaft nicht so bleiben. Der gekonnte Einsatz der IT wird zum Überlebenskriterium werden.

Meine Beobachtung ist, dass dieser Wandel zum IT-Beruf bei der Mitarbeitersuche noch nicht ausreichend bzw. gar nicht kommuniziert wird. Diese entscheidende Facette des Berufs, die ihn übrigens aufwertet und attraktiver macht, ist bei jungen Menschen in den Schulen, Fachholschulen und Universitäten noch viel zu wenig präsent. Dort dominiert leider immer noch das traditionelle Berufsbild.

Nutzen Sie jede sich bietende Gelegenheit und sprechen Sie mit Bekannten und Freunden aus anderen Branchen über das Berufsbild von Mitarbeitern in der Steuerberatung.

Damit ein attraktives Bild des Berufs im Zusammenhang mit dem Einsatz der IT vermittelt werden kann, ist es natürlich notwendig, auf der „Klaviatur der Anwendungen virtuos spielen zu können“. Betrachten Sie daher die Automatisierungsnotwendigkeiten aus dem Blickwinkel der damit höheren Attraktivität des Berufs für junge, engagierte, aufgeschlossene Leute. Nicht nur aus den Schulen, sondern auch aus anderen Branchen.

  1. Echte Top-Gehälter

Am Beginn dieses Beitrags erwähnte ich die in letzter Zeit vorgenommenen spürbaren Erhöhungen/Anpassungen der Gehälter in der Branche. Ich denke allerdings, dass hier noch sehr viel zu tun ist. Für echte Experten im Steuerrecht, Rechnungswesen bzw. Personalmanagement, die die Mitarbeiter in der Steuerberatung sein sollten, müssen die Gehälter in der Branche höher liegen als die Gehälter der entsprechenden Positionen in den gewerblichen Betrieben und Industrieunternehmen. Die Aufgaben sind im Regelfall anspruchsvoller, vielfältiger und mit einem höheren Termindruck versehen.

Den mit diesem Gedanken ausgelösten Aufschrei in der Branche beantworte ich mit der unternehmerischen Aufgabe, effektiver und intelligenter die bestehenden Aufgaben zu lösen. In jeder der vier bekannten Schichten der Produktivität

  • Persönliche Arbeitsmethodik
  • Prozesse
  • Delegation
  • Honorargestaltung

erkenne ich in allen Kanzleien große Potenziale. Werden diese realisiert, dann sind deutlich höhere Gehälter möglich UND das Kanzleiergebnis verbessert sich.

  1. Der Kern erfolgreiche Mitarbeitergewinnung: Die Wirkung der Tätigkeit als solche

Die Verbesserung der bisher genannten Handlungsfelder hat verlässlich Auswirkungen auf die Ergebnisse der Mitarbeitersuche. Sie treffen allerdings nicht den Kern. Denken Sie über die folgenden Fragen nach:

  • Wie attraktiv ist eine Tätigkeit, bei der der Ausführende regelmäßig zeitlich teilweise weit entfernt von der Entscheidung bzw. der zugrundeliegenden Handlung ist? Wie z.B. bei der Jahresabschlusserstellung erst Monate nach dem Bilanzstichtag.
  • Wie wichtig wird eine Tätigkeit wahrgenommen werden, wenn die Ergebnisse dieser Tätigkeit teilweise aussagelos sind? Wie z.B. bei den Ergebnissen der laufenden Buchhaltung, bei der wesentliche Ergebnisbestandteile wie z.B. Bestandsveränderungen, nicht berücksichtigt sind?
  • Wie fühlt sich eine Tätigkeit an, bei der die Ausführenden oft sehr weit weg von den Entscheidungsträgern sind? Wenn z.B. bei wirklich spannenden Aufgaben der Inhaber oder Partner tätig wird, während die Routinearbeiten beim Mitarbeiter bleiben.
  • Wie „cool“ sind Besprechungen, wenn die Inhalte oft gar nicht mehr relevant für den Gesprächspartner sind?
  • Wie freudvoll ist eine Tätigkeit, der man sich überwiegend mit „altem Zeugs“ (überholten Informationen und Daten) beschäftigt?
  • Haben Sie als Inhaber, Partner, Teamleiter selbst noch große Freude bei den Erstellungs- und Dokumentationsaufgaben?

Auch jetzt kann ich den Aufschrei der Partner und Inhaber fast schon hören. „Wir würden es uns wünschen, dass unser Team deutlich früher und näher am Klienten und insgesamt aktiver handelt!“

Die Realität sieht allerdings ernüchternd aus. Nicht nur bei den Klienten sind Steuerberater im Verruf, immer zu spät dran zu sein. Lesen Sie dazu auch Sich abheben durch Erkennen von Fehlentwicklungen mit dem dortigen Dokument „Das Image der Steuerberater“ zum Downloaden. Auch auf dem Mitarbeitermarkt ist diese Meinung stark vertreten.

Insofern ist die Notwendigkeit, eine extrem zeitnahe und inhaltlich richtige Bearbeitung zu erreichen, wie ich sie im Beitrag Das perfekte Rechnungswesen als Erfolgsfaktor beschrieben habe, nicht für Klienten wichtig, sondern sie stellt den Kern erfolgreicher Mitarbeitergewinnung dar.

Natürlich wird die Dokumentation von unternehmerischen Vorgängen weiterhin ein wesentlicher Bestandteil der Leistungen für Steuerberatungskanzleien bleiben. Die entscheidende Frage ist nur „wann und wie?“ erfolgt diese Dokumentation. Und natürlich welche Schlüsse, Erkenntnisse und Maßnahmen aus dieser zeitnahen Dokumentation mit dem Klienten besprochen werden. Hier beginnt die Attraktivität des Berufs. Mit diesen Aufgaben werden Menschen erkennen, dass sie durch ihre Arbeit einen Mehrwert für den Klienten schaffen können.

Darauf aufbauend lässt sich „das Warum“ der Steuerberatung im Allgemeinen und Ihrer Kanzlei im Besonderen klarer herausarbeiten und kommunizieren. Erkennen Menschen den Sinn einer Tätigkeit, sind sie dafür leichter zu gewinnen. Besonders bei jungen Leuten spielt die Sinnfrage eine außerordentlich große Rolle.

Resümee und Vision

Stellen Sie sich vor, dass Sie glaubwürdig darstellen können, dass Ihre Kanzlei

  1. über exzellente Führungskräfte verfügt
  2. eine Arbeitsorganisation hat, die zielsicher Ergebnisse ermöglicht
  3. die IT umfassend, zeitsparend und sinnvoll einsetzt
  4. Top-Gehälter bezahlt

und – ganz entscheidend:

  1. Alle Mitarbeiter hautnah am Geschehen der Klienten arbeiten, indem die notwendige Dokumentation weitestgehend automatisiert durchgeführt wird. Jeder Mitarbeiter weiß nicht nur, was er für das unternehmerische Leben der Klienten beiträgt, sondern er macht es auch regelmäßig. Die Folge daraus ist, dass Ihre Klienten von jeder Begegnung mit ihren Mitarbeitern schwärmen.

Ist bei dieser Vision noch eine wie bisher durchgeführte Mitarbeitersuche notwendig? Und falls ja, wie würde sie dann aussehen? Ist eine Stellenanzeige überhaupt noch sinnvoll, wenn das gesamte Team bei jeder sich bietenden Gelegenheit extrem positiv zu den genannten fünf Handlungsfeldern spricht?

Ist es dann nicht nur wahrscheinlich, sondern sogar realistisch, dass Menschen in Ihrer Kanzlei unbedingt arbeiten möchten und sich initiativ bewerben? JA!

7 Kommentare

Boelke 18.05.2022 / 11:29 Uhr

Ziemlich zielsicher Salz in der Wunden gestreut.
Kann die Punkte nur unterstreichen. Und Alles läuft bei der Führung zusammen. Danke bü

1

SteWa 18.05.2022 / 16:12 Uhr

Genau richtig erkannt. Bei den Gehältern der MA gibt es enormes Verbesserungspotenzial, leider zu Lasten des Partnergewinns.. Vermutlich wird das auch in Zukunft das größte Hindernis sein, hier Fortschritte zu erzielen. Ich bin immer noch verwundert wie viele Kanzleien für StFA mit 10 Jahren Berufserfahrung unter € 40.000,00 zahlen.

2

Martin 18.05.2022 / 19:31 Uhr

Danke, wir investieren kräftig in Gehälter und Wohlbefinden und können alle Kollegen ermutigen auch diesen Weg zu gehen.
Wachstum geht nur mit neuen Mitarbeitern und viele Kollegen bilden immer noch keine AZUBIS aus. Angeblich finden Sie keine. Aber einen Headhunter der aktiv in Kanzleien Mitarbeiter anbaggert bezahlen Sie. Das ist dumm und nicht nachhaltig.

3

Stefan Lami 20.05.2022 / 09:23 Uhr

Vielen Dank für das positve Feedback und die Zustimmung.
Die Handlungsfelder sind vorhanden - los geht's, diese zu bearbeiten!
Herzliche Grüße
Stefan Lami

4

Andreas Zimmermann 29.11.2022 / 13:36 Uhr

Danke für alle wertvollen Impulse. Mich wundert es als Außenstehender, dass es in der Diskussion um die (Spitzen)Gehälter bei den Mitarbeiter:innen keine Überlegungen zu einem leistungsbezogen und damit auch Mitarbeiter:innen motivierenden Gehaltsschema gibt. Wäre doch auch ein monetärer Anreiz und eine win-win-Situation für alle Beteiligten. Hat das noch niemand ausprobiert? Wäre an Erfahrungsberichten in diesem Forum sehr interessiert…
Beste Grüße
Andreas Zimmermann

5

Stefan Lami 29.11.2022 / 18:52 Uhr

Lieber Herr Zimmermann,
vielen Dank für Ihre Überlegungen. Variable Gehaltsbestandteile sind in der Branche durchaus in verschiedensten Varianten vorhanden. Gerne kann hier ein Austausch darüber erfolgen.
Herzliche Grüße
Stefan Lami

6

Andreas Zimmermann 02.12.2022 / 21:44 Uhr

Lieber Herr Lami,
danke für Ihre Rückmeldung. Ich melde mich diesbezüglich gerne noch persönlich bei Ihnen.
Mit lieben Grüßen
Andreas Zimmermann

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