Mag. Stefan Lami - Steuerberatung - Unternehmensberatung

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Warum es Autoproduzenten leichter haben

Die Grenzen des Qualitätsmanagements in der Steuerberatung

17.12.2009

Stellen Sie sich vor, dass Sie als Käufer eines ____________ (bitte die Automarke einsetzen) durch die Werkshallen gehen und sich bei der Produktion Ihres soeben bestellten Autos beteiligen: Hier noch ein kleines Extra. Den Rückspiegel bitte weiter unten anbringen. Die Sportsitze vom alten Auto einbauen („ich habe mich so an sie gewöhnt“). Wäre nicht die Elektronik vom Premium-Modell besser? Dazwischen ein kurzes Gespräch mit den freundlichen Mitarbeitern am Fließband, ob sie nicht Ihr Auto vorziehen könnten, weil „es halt gar so pressiert.“ „Können wir eine Probelackierung vornehmen, damit ich mir den Metaliceffekt besser vorstellen kann?“ Sie legen beim Einbau des Motors selbst Hand an.

Die Vorstellung einer derartigen Situation ist grotesk, bizarr, einfach schräg. Sie mag für den einen oder anderen von Ihnen ganz witzig sein. Nur die Konsequenzen einer derartigen Vorgangsweise würde sicher niemand wollen. Der Autohersteller müsste deutlich mehr für seine Autos verlangen und gleichzeitig würde die Qualität sinken.

Was für einen Autoproduzenten unvorstellbar ist, ist für Steuerberatungskanzleien Alltag! Der Klient ist am „Produktionsprozess“ beteiligt. Nicht nur, dass er sich „einmischt“, er ist integrativer und notwendiger „Bestandteil“ der „Produktion“ von Lohnabrechnungen, Buchhaltungen, Jahresabschlüssen und Steuererklärungen. Ohne seine Mitarbeit – natürlich in unterschiedlichem Ausmaß – kann die Leistung gar nicht erbracht werden.

Qualitätsmanagement in der Steuerberatungskanzlei

Ich bin überzeugt, dass das Managen der Qualität eine notwendige Bedingung für den Kanzleierfolg ist. Immer wieder erzähle ich in meinen Vorträgen von Mc Donald`s als Sinnbild für die Standardisierung von Prozessen zur Erreichung einer einheitlichen Qualität.

Immer öfter nehme ich allerdings wahr, dass das Pendel beim Einsatz von Qualitätsmanagementtools schon zu weit ausgeschlagen hat. Qualitätsmanagement aus meiner Sicht übertrieben, zu mechanistisch gesehen wird und der Glaube herrscht, dass Qualitätsmanagement alles wäre, ja sogar Führung ersetzen könnte. Dabei besteht zwischen Österreich und Deutschland ein signifikanter Unterschied, der alleine beim Betrachten der Muster-QM-Handbücher offensichtlich ist. Das Handbuch zur Qualitätssicherung des Instituts Österreichischer Steuerberater ist ein „schmaler“ Ordner mit rund 100 Vorlagen/Muster/Checklisten etc. Das deutsche Musterwerk zur Qualitätssicherung ist eine echte Herausforderung mit einem geschätzten 10- bis 15-fachen Umfang des österreichischen QM-Handbuchs.

Der „Dokumentationswahn“ der Wirtschaftsprüfung (ich bitte um Verzeihung für diesen Begriff bei allen Wirtschaftsprüfern) schlägt mehr und mehr auf die Steuerberatung durch. Was für die Wirtschaftsprüfung durchaus sinnvoll sein mag, wobei auch daran oft gezweifelt wird, ist für die Steuerberatungsleistungen in vielen Fällen einfach sinnlos. Ohne Checklisten geht anscheinend gar nichts mehr. Wird nicht ein Kontrollkästchen abgehakt, ist keine Qualität möglich. So der Tenor.

Führung, nicht Qualitätsmanagement, ist gefragt

Mitarbeiterführung kann nicht an das Qualitätsmanagement delegiert werden. Auch noch so ausgefeilte Handbücher ersetzen nie und nimmer das Anleiten, Einschulen, Begleiten, Fordern und Fördern eines neuen Mitarbeiters. Selbstverständlich braucht eine Kanzlei Arbeitshilfen, mit denen immer wiederkehrende Prozesse standardisiert bearbeitet werden können. Aber eine Checkliste kann nie das Gespräch über die Qualität der Arbeit ersetzen.

Kommt es in Ihrer Kanzlei vor, dass gewisse Checklisten vom einen oder anderen Mitarbeiter nicht verwendet werden? Kommt es vor, dass Checklisten nach der Erledigung des Auftrags „en bloc“ abgehakt werden? Gibt es Checklisten, die nie verwendet werden? Was sind Ihre Schlüsse daraus?

Eine Checkliste ist dann richtig, wenn die Mitarbeiter danach gieren. Sie diese Checkliste unbedingt haben möchten, weil sie so nützlich ist und weil sie ihnen die Arbeit erleichtert. Eine Checkliste ist völlig sinnlos, wenn sie nie verwendet wird.

Jetzt einmal kritisch betrachtet: Wenn ein Mitarbeiter aus der Finanzbuchführung, der seit Jahren 25 Klienten betreut, was bedeutet, dass er seit Jahren 300 Monatsbuchhaltungen erstellt, eine Checkliste braucht, um gute Qualität zu liefern, dann ist etwas faul! Ein erfahrener Mitarbeiter braucht eine ganz andere Dimension des Qualitätsmanagements als ein Berufseinsteiger. Er braucht eine andere Art der Führung. Ein erfahrener Mitarbeiter ist das Qualitätsmanagement in Person. Er sollte Mängel in der Qualität erkennen – das ist ja seine Erfahrung. Und das ohne Checkliste!

Was hat diese Betrachtungsweise für Konsequenzen? Aufgabe der Führung ist es, dass ein Berufseinsteiger möglichst schnell und umfassend Erfahrungen sammelt. Dass er eben Routine in seinen Tätigkeiten gewinnt. Das gelingt nur bedingt bis gar nicht, durch die Beachtung bzw. Bearbeitung von Checklisten, sondern durch gezielte Mitarbeiterführung und -entwicklung. Wenn ein Mitarbeiter nach einer soliden und sauberen Einarbeitung immer noch eine Checkliste braucht, um gute Qualität zu liefern, dann hat die Einschulung versagt!

Ich sehe die große Aufgabe des Qualitätsmanagements darin, Arbeitshilfen zu liefern, auf die sich alle Mitarbeiter freuen, die gerne angewendet und die aktuell gehalten werden.  Es ist nicht die Aufgabe des Qualitätsmanagements, immer noch mehr Checklisten, Muster und Vorlagen zu entwickeln, die von immer weniger Mitarbeitern verwendet werden.

Probleme mit der Qualität – was tun?

Bei auftauchenden Qualitätsmängeln Ihrer Leistungen sollten Sie genau hinsehen. Ist das Qualitätsproblem ein kanzleiweites Problem oder gibt es nur bei einem Mitarbeiter bzw. einigen Mitarbeitern Defizite? In ersterem Fall kann das Qualitätsmanagement eine sinnvolle Lösung liefern. Im zweiten Fall ist der Versuch des Behebens der Qualitätsmängel über Tools des Qualitätsmanagements zum Scheitern verurteilt. Jene Mitarbeiter, die sauber arbeiten, fragen sich, was denn nun die „neue Arbeitsanweisung“ (so wird das oft genannt) bringen soll, und sie fühlen sich gegängelt. Und jene Mitarbeiter, die Schwierigkeiten haben, werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch diese Arbeitsanweisung nicht in dem Ausmaß berücksichtigen, wie es notwendig ist. Damit haben Sie für Frustration bei allen Beteiligten gesorgt.

Die Lösung von Qualitätsdefiziten bei einzelnen Mitarbeitern ist ein klärendes Gespräch mit den betroffenen Mitarbeitern, eindeutige Vereinbarungen und das Nachverfolgen der Umsetzung. „Das ist ja richtig anstrengend“, kann ich Sie schon denken hören. Viele kennen bereits meine Antwort darauf: „Herzlich willkommen in der Welt des Managements!“

Mit- und Vorausdenken statt Abhaken

Die Grenzen des Qualitätsmanagements liegen vor allem dort, wo der Klient ins Spiel kommt. Ein kleines Beispiel: Bei den Buchhaltungsunterlagen fehlen Belege, die der Klient noch liefern sollte. Im QM-Handbuch gibt es einen perfekten Brief zur Anforderung von Belegen an den Klienten, den der Mitarbeiter auch verwendet und dann das Kästchen „fehlende Belege anfordern“ auf der Checkliste abhakt. Nur – es geschieht nichts, der Klient liefert die Belege nicht. Der Mitarbeiter schreibt im darauf folgenden Monat wieder den perfekt formulierten Musterbrief. Und wieder geschieht nichts! So kann das über einen längeren Zeitraum gehen.

Der Mitarbeiter hat im Sinne des Qualitätsmanagements alles richtig gemacht und mit gutem Gewissen kann er von sich behaupten, eine gute Leistung erbracht zu haben. Möglicherweise steht im QM-Handbuch eine Anweisung, wie vorzugehen ist, wenn der Klient angeforderte Belege nicht liefert: Ein Telefongespräch führen? Der Kanzleileitung melden? Einen eingeschriebenen Brief schicken? Nur – es kann zig Gründe geben, warum der Klient die Belege nicht liefert bzw. nicht liefern kann. Wie ist dieses kleine Beispiel über das Qualitätsmanagement (Standards, Routinen, Vorlagen etc.) zu lösen? Ich meine, dass es gar nicht zu lösen ist!

Gefragt ist hier Mit- und Vorausdenken: Das heißt: Den Klienten gut einschätzen zu können. Sich über den Lieferanten oder die Bank die notwendigen Informationen holen. Den Klienten zu besuchen und die Belege selbst zu suchen. Ein Gespräch mit dem Kanzleiinhaber/Partner zu führen. Etc., etc.

All diese Möglichkeiten können nie in sinnvoller Weise in einem QM-Handbuch abgebildet werden. Würde man nämlich alle Optionen darstellen (dokumentieren), würde das Handbuch eine ganze Bibliothek füllen, die sicher von niemandem gelesen wird. Übrigens, machen Sie doch einmal einen Test über den Wissenstand zum Inhalt des Qualitätshandbuchs. Und beginnen Sie bei sich selbst!

Klienteneingriffe managen

Der typische Klient einer typischen Steuerberatungskanzlei greift laufend in die „Produktion“ der Dienstleistungen einer Steuerberatungskanzlei ein. Anrufe zur Lohnabrechnung, Nachfragen zu einem Zahlungsvorgang, Gespräche über die BWA, Nachreichen von Reisespesenabrechnungen, usw. Es sind dauernde und unendliche „Störungen“ durch den Klienten.

Das Management dieser „Eingriffe“ ist die Herausforderung Nummer eins für ausgezeichnete Qualität. Dafür ist es notwendig, das richtige Verhältnis zu finden zwischen

  • Planung und Flexibilität,
  • Standards und Individualität,
  • Vorgaben und Freiräume,
  • Ungestört arbeiten und erreichbar sein,
  • Selbst entscheiden und Entscheidungen fordern.

Es sind im Wesentlichen fünf Arten von Unwägbarkeiten bei der „Produktion“ von Dienstleistungen:

1) der Zeitrahmen des Klienten
2) die Erwartungen des Klienten
3) die Kompetenzen des Klienten
4) das Engagement des Klienten
5) das Qualitätsempfinden des Klienten

Und spätestens hier stößt das Qualitätsmanagement an seine Grenzen.

Produktivität und Qualität

In den beiden Beiträgen Produktivität für Kopfarbeiter und Produktivitätssteigerungen "leicht" gemacht habe ich meine Überlegungen zur Produktivität dargestellt. In Bezug auf die Qualität haben die dort getroffenen Aussagen eine enorme Bedeutung. Insbesondere das vorgestellte „ungestörte Arbeiten“ ist ein entscheidender Qualitätsfaktor.

Ich gehe davon aus, dass niemand Fehler absichtlich macht. Das wäre nämlich Sabotage. Fehler passieren und oft sind es so genannte Flüchtigkeitsfehler. Ein großer Teil dieser Fehler lässt sich durch konzentriertes Arbeiten, d. h. weniger Ablenkungen und Störungen, vermeiden. Das Befolgen der Tipps in den oben genannten Beiträgen hat nicht nur eine höhere Produktivität, sondern auch eine Qualitätsverbesserung zur Folge. Kommen diese Gedanken im üblichen Qualitätsmanagement vor? Leider nein!

Redimensionierung des Qualitätsmanagements

Haben es Autoproduzenten leichter als Steuerberatungskanzleien? In vielen Dingen sicher nicht. In Bezug auf das Qualitätsmanagement allerdings schon. Der Kunde kommt dort beim Qualitätsmanagement der Produktion nicht vor.

Meine Empfehlung zur richtigen Dimension des Qualitätsmanagements ist vergleichbar mit dem bekannten Zitat zu Wald und Bäumen. Steuerberater sollten in Sachen Qualitätsmanagement den Wald und nicht die ganzen Bäume sehen. Immer wieder einen Schritt zurück machen, im Sinn von Abstand einnehmen, und den Blick auf das Ganze werfen.

Man wird erkennen, dass sicher ein paar Bäume zu fällen sind. Dann fällt allen auch die Orientierung leichter. Man sollte regelmäßig „ausholzen“. Dann wird der Wald auch gesund wachsen.

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