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Mit dem Schlimmsten rechnen
09.07.2020Mit diesem Blog-Beitrag starte ich den Versuch, eine Diskussion in der Branche anzustoßen und freue mich auf Ihre Meinungen und Erfahrungen.
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden fast jedes Unternehmen auf irgendeine Weise treffen. Es wird die eine oder andere Branche profitieren, es werden viele Branchen mit Rückgängen rechnen müssen und andere werden an den Rand der unternehmerischen Existenz gebracht werden.
Die bisherigen - meist technischen - Maßnahmen (Kurzarbeit, Stundungen, Föderungen, Kredite bzw. Kreditzuschüsse, etc.) stellen natürlich eine erste Hilfe dar. Allerdings wird oft der Kern des Problems einfach nur verschoben. Daher sehe ich als erste dringliche Maßnahme, dass Steuerberater in den monatlichen BWAs auch die gestundeten und aufgeschobenen Beträge ausweisen sollten, damit die Klienten diese - verschobenen - Belastungen im Blick behalten.
Die wesentlich wichtigere - und weit schwierigere - Aufgabe ist, mit jenen Klienten, die stark betroffen sind, ein "Worst-Case-Szenario" zu erstellen. Also von der Annahme "die Krise wird länger dauern und rechnen wir mit dem Schlimmsten" auszugehen. Steuerberater werden für die Lösung dieser wirtschaftlich schwierigen Situation keine Lösungen bieten können. Allerdings können Berater gute Fragen stellen, den Klienten zum Nachdenken anregen und seine Antworten/Vermutungen/Einschätzungen in Zahlen fassen. Mit einem Worst-Case-Szenario ist der Unternehmer besser vorbereitet, sieht gegebenenfalls früher Handlungsoptionen. Sollte die Entwicklung dann nicht so dramatisch ausfallen, kann damit leichter damit umgegangen werden.
Meine Beobachtung ist, dass die Branche für derartige Aufgaben viel zu wenig gerüstet ist. Betriebswirtschaftliche Beratung, obwohl schon seit Jahrzehnten ein Thema, wird immer noch stiefmütterlich behandelt. JETZT besteht eine extrem hohe Notwendigkeit von Seiten der Klienten dafür. Übrigens auch für jene Unternehmen, die Gewinner der Krise sind. Mit der Fragestellung, wie Wachstum noch besser zu bewältigen ist.
Ich freue mich auf Ihre Meinung und den Austausch über diese Herausforderung für die Branche! Nützen Sie dafür die Kommentarfunktion unten. Danke.
Lesen Sie dazu auch "Die Ära der Berater", "Kanzleimanagement in der Corona-Krise" und "Auftragsgewinnung durch die richtigen Fragen"
2 Kommentare
Bernhard Brugger 10.08.2020 / 19:10 Uhr
Lieber Stefan,
danke für Deine Anregung. Ich denke wir Steuerberater sind jetzt sehr gefragt, fachlich und als psychische Stütze. Die Worst-Case-Szenarien stellen sich bei uns unterschiedlich dar. Die Friseurin, die im April 0 € Umsatz hat und sich ab Mitte Mai kaum vor Aufträgen retten kann. Die Gastronomie, die nach der Schließung nur verhaltene Umsätze macht. Die Maschinenbauer, die zwar noch volle Auftragsbücher haben, aber nicht wissen, ob die Maschinen auch abgenommen werden und vor allem keine neuen Aufträge bekommen. In allen Fällen können wir zeigen, ob wir gute Berater und Helfer für unsere Mandanten sind.
Besonders herausfordernd wird es da, wo zur Strukturkrise noch die Corona Krise hinzukommt, wie z.B. in der KFZ Branche.
Nun haben wir auch Mandanten, bei denen ist seit der Corona Krise Best Case: Lebensmittel, vor allem Bio und regionale Produkte, Vermietung von Ferienwohnungen, IT Dienstleistungen und IT Produkte, wachsen zum Teil dreistellig, andere Branchen aus der Region kommen hinzu: alles rund ums Fahrrad und die Wohnmobile.
Deshalb beschäftigen wir uns neben dem Worst Case Szenario mit der Frage, wie können wir ganz konkret wenigstens teilweise beide so miteinander verbinden, dass die einen nicht abstürzen und die anderen ihre Arbeit noch bewältigen können.
Herzliche Grüße nach Tirol Bernhard
Stefan Lami 11.08.2020 / 11:38 Uhr
Lieber Bernhard,
herzlichen Dank für Deine Gedanken, die ich vollkommen teile.
Von sehr vielen Seiten sind Steuerberater jetzt gefordert: Worst Case, boomendes Geschäft, fachlich, menschlich, unternehmerisch, schnell reagieren, dauernd Neues lernen, etc.! Etwas überspitzt formuliert könnte man fast sagen: "Genau deswegen ist man doch Steuerberater geworden ..."
Nochmals danke und beste Grüße
Stefan